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Wozu Hochschulgemeinde ?

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Bei der Enthüllung einer Gedenktafel für Prälat Karl Strobl in der Wiener Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) wurden bemerkenswerte Reden gehalten. Hier zwei Auszüge.

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Bei der Enthüllung einer Gedenktafel für Prälat Karl Strobl in der Wiener Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) wurden bemerkenswerte Reden gehalten. Hier zwei Auszüge.

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Man kann sich Hochschulgemeinde nach dem beliebten Bild als eine Herde von Schafen vorstellen, für deren Wohlergehen der Hirte allein verantwortlich ist. Jedes Abweichen der Schafe vom befohlenen Weg—sei es, weil sie Wölfe wittern, sei es, weil sie eigene frische Quellen spüren — wird man dann nicht anders begreifen können, denn als störeri-sche Dummheit der unwissenden Kreatur, die dem Weg des Hirten kein blindes Vertrauen schenkt.

Man kann von einer Hochschulgemeinde träumen, in der die Massen betreut werden. Der Massenuniversität ihre Massengemeinde. Dann wird man auf die 100.000 starren und vorsorglich die größten Kirchen für sie wählen. Man kann Hochschulgemeinde mit dem Maß des pfarrlichen Territorialprinzips messen. Dann wird man sie in zwei oder beliebig viele „Bereiche“ teilen und die Studierenden auf dem Reißbrett, auf dem grünen Tisch einfach zuteilen.

Man kann Hochschulgemeinde als einen Raum sehen, in dem allein der Priester das Sagen hat; einen Raum, in dem der Priester — unangefochten von studentischen Gremien, mühsamen Entschei-dungsprozessen und lästiger Mitbestimmungsforderung — die Befehle des Bischofs exekutiert. Dann wird man unvermeidlich auftauchende Konflikte mit dem Zeitindex lösen, auf Anfragen nicht reagieren, Gesprächstermine hinauszögern und mit dem langen Atem des Mächtigen auf die nächste Generation von Studenten warten, die vielleicht braver, friedfertiger, noch schweigsamer ist und die Genese des Streits nicht mehr kennt.

Wir, die Katholische Hochschuljugend Österreichs am Hochschulort Wien, vertreten eine andere Vorstellung von Hochschulgemeinde. Daß wir damit in deutliche Differenz zu kirchlichen Amtsträgern geraten sind, tut uns leid. Dies war nicht beabsichtigt, aber unvermeidbar. Die Sache ist es uns wert, auch schwere Konflikte durchzuhalten.

Die Hochschulgemeinde, für die wir uns einsetzen, wird von Studentinnen und Studenten in eigener Verantwortung mitgetragen. Es ist eine Gemeinde von Laien und Priestern, die Eucharistie feiern, Gottes Wort verkünden und versuchen, in der Nachfolge Jesu für andere dazusein.

Hochschulgemeinde ist der Ort, an dem experimentiert und gelernt werden soll, an dem Begegnung von Kirche mit Wissenschaft, Kunst, Politik, Begegnung von Konfessionen und Religionen wirklich geschieht. Ein Ort, an dem der Glaube des einzelnen zur Mündigkeit des eigenverantwortlichen Christen heranreift. Ein Ort der Gewissensbüdung und der Gewissensentscheidung...

Hochschulgemeinde ist ein offenes Haus, ein offener Ort, den gleichwohl nicht alle besuchen. Sie ist eine Einladung der Entschiedenen für die vielen. Ein

Raum, in dem auch die Suche, nicht nur das Finden, in dem auch der ehrliche Zweifel, nicht nur die blinde Gewißheit zählen...

Vielleicht hat es eine symbolische Bedeutung, daß wir diesen Tag zu Beginn des vielstrapazierten und schon fast zu Tode geredeten Gedenkjahres 1988 feiern. Mit dem Blick auf die Zeit des Nationalsozialismus und aktuelle Tendenzen in unserer österreichischen Gegenwart läßt es sich wohl feststellen, daß unser Problem nicht mangelnder Gehorsam und übersteigerte Widerstandsneigung ist. Als latente Gefahr in Osterreich sind im Gegenteil obrigkeitliches Denken und oft bis zur Aufgabe der eigenen Identität reichende übersteigerte Loyalität mit dem jeweils Bestimmenden zu nennen.

Der aufrechte Gang ist wieder zu lernen, das angstfreie Vertreten des eigenen Standpunktes, auch Vorgesetzten gegenüber. Hochschulgemeinde, Kirche kann hier als Lernort eine wichtige Funktion haben. Wer lernt, Gott in rechter Weise zu fürchten, verliert die Angst vor den irdisch Mächtigen...

Um Hochschulgemeinde als Ort der freien Auseinandersetzung aus dem Glauben erhalten zu können, bedarf es des Vertrauens der zuständigen Bischöfe und Funktionäre, daß das, was an Denken und Handeln, an Fühlen und Versuchen von Studentinnen und Studenten eingebracht wird, nicht prinzipiell dem Reich Gottes entgegensteht...

Die Katholische Hochschuljugend wird auch in Zukunft ohne Angst ihre Positionen vertreten, solange ihre Kräfte reichen. Wir sind zu aufrichtigem Dialog jederzeit bereit, aber auch entschlossen, für aus unserer Sicht unverzichtbare Inhalte einzutreten.

Wir bitten Sie, die Sie Ihre Solidarität mit unserem Gründer, Prälat Karl Strobl, heute bekunden, auch um Solidarität mit seinem Werk, der Katholischen Hochschuljugend.

Irene Köhler iit Prima der KHJO Wien.

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