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Brderliche Anwesenheit

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Sie plädieren eher für ein Rendezvous mit dem biblischen Gott, zu dem, wie sie sagen, der Weg über den „gnädigen Nächsten“ und nicht über metaphysische Diskussionen und religiöse Riten gegangen werden muß. Sie fordern vom Christen ein Leben der Solidarität mit den notleidenden Brüdern und der Menschheit. Sie erinnern dabei an Charles de Foucauld. Im Zeitalter der Abwesenheit Gattes und des Endes der Metaphysik geht es in der Tat nicht um christliche Machtpositionen in der Welt von heute, sondern um die brüderliche Anwesenheit der Christen in der Welt.

Wer ein offenes Gespräch mit Studenten führt, erfährt, daß für viele die Worte „Gott“, „Jenseits“ und „Erlösung“ nur übernommene leere Formeln sind. Das Verhältnis zwischen dem Glauben und der Religion wird ihnen, wie keiner Generation vorher, zum Problem. Die überlieferten Formen und Strukturen des Glaubens und der Frömmigkeit werden überkritisch geprüft. Iri dieser Situation muß das Verständnis für den Kult und rituelle Handlungen neu geweckt werden. Darum sollte man nicht engherzig sein, wenn experimentfreudige Studentengruppen in der Liturgie neue Formen suchen, um dem jungen Intellektuellen den Zugang zum Verständnis der Liturgie zu erleichtern. Man muß heute überhaupt froh sein, daß junge Leute in der nachkonziliaren Kirche neue Wege suchen, auch dann, wenn sie vielleicht über das Ziel schießen.Man muß alles tun, dem jungen Intellektuellen eine Einübung in die Gotteserfahrung durch die Liturgie und die Bibel zu ermöglichen.

Der amerikanische Jesuit Court-nay Murray sagte von den jungen Katholiken Amerikas, sie seien dem Konzü voraus, seien sehr interessiert an der Botschaft der Bibel, aber nicht an spekulativer Theologie, an Metaphysik, Geschichte und institutioneller Struktur. Das gleiche darf man wohl auch auf Grund von Erfahrungen von den aufgeschlossenen jungen Katholiken Österreichs, besonders von den Studenten sagen. Darauf müßte allerdings im Religionsunterricht und in der Stu-dentenseelsorge Rücksicht genommen werden.

Vom Intellektuellen muß man in der nachkonziliaren Kirche erwarten, daß er an der Überwindung der innerkirchlichen Resignation, die sich unter Priestern und Laien bemerkbar macht, mitarbeitet. Zweifelsohne ist die Resignation die innerkirchliche Sünde wider den Heiligen Geist. Wo sich „Übergangsmüdigkeit“ des Herzens und Halbengagement breitmachen, ist der Heilige Geist faktisch „kaltgestellt“. In der Folge breitet sich pneumatische Dürre aus. Es ist die Sendung des Intellektuellen, einer solchen Entwicklung entgegenzuwirken.

Ebenso wichtig ist die Mithilfe des Intellektuellen bei der Unterscheidung der Geister in der nachkonziliaren Kirche. Das erfordert ein intensives Glaubensleben, Bibel-meditation, Dauerreflexion und eine ständige Beschäftigung mit theologischen Fragen. Der Intellektuelle braucht ein pneumatisches Gespür für Lehren und Meinungen, die nicht mit der Bibel und den fundamentalen Lehren der Kirche übereinstimmen. Polemische und wirre Geister gilt es zu zügeln und Schwarmgeister mit der inkarnato-rischen Wirklichkeit der Kirche vertraut zu machen.

Vom Intellektuelilen muß man auch eine kritische Sicht der Arbeit und der Strukturen der Cwganisationen erwarten. Er hat warnend die Stimme zu erheben, wenn seiner Überzeugung und Erfahrung nach die Apostolatsbewegung, der er angehört, eine Institution geworden ist, die sich mit dem bloßen Funk Monieren zufrieden gibt. Dehi Intellektuellen sollte eine Funk tionärsgesinnung fremd sein. Seine Aufgabe ist es, Unruhe zu entfachen, die andere als Gefahr betrachten. Der Intellektuelle bleibt nur dann Intellektueller, wenn er seinen eigenen Konzepten und Arbeiten sowie den Verbänden, in denen er tätig ist, mit Distanz gegenübertritt.

Da eine „inzüchtiige“ Inteliek-tuellenorganisation für den Intellektuellen untypisch ist, wird er keinen fixierten und ghettoisierten Platz in der Kirche und in der Katholischen Aktion haben. Katholische Hochschuljugend, Katholische Studierende Jugend und Katholischer Akademikerverband sind für ihn Stätten der Sammlung, der geistigen Zurüstong und der Stärkung, aber nicht Orte des Einsatzes, des Verweilens und der Bewährung. Esoterische Gruppen von Intellektuellen mit aristokratischer Mentalität ohne Ausstrahlung haben nach dem Konzil in der Kirche keine Existenzberechtigung mehr. Vielmehr ist es notwendig, Meine Zirkel und Freundeskreise zu bilden, die informellen Charakter haben, und deren Mitglieder absichtslos Zeugnis geben und missionairisch wirken.

Solche Zirkel werden auch innerkirchliche Aufgaben übernehmen und bei der Vertiefung, Entfaltung und Konkretisierung der konzaliaren Ekklesiologie in den Gemeinden mithelfen. Daher gilt es, die charismatischen Kräfte in den Intellektuellenbewegungen der Katholischen Aktion zu entdecken, zu stärken und zum Einsatz zu bringen. Aus bloßen Kritikastern und Nörglern sollen prophetische und pneumatische Menschen werden. Mut zum Alleingang muß schließlich vom Intellektuellen in der nachkonziliaren Entwicklung der Kirche verlangt werden. Er wird nicht darüber hinwegkommen, seine persönliche Meinung klar und deutlich zu äußern, wenn sie zuweilen auch nicht mit der amtlichen Vorstellung konform geht.

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