6782671-1969_50_04.jpg
Digital In Arbeit

„Wir haben gewisse Schwierigkeiten"

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Anfang März sind Nationalratswahlen. In der „Eisenstädter Erklärung" hat sich SPÖ-Vorsitzender Doktor Kreisky energisch gegen eine kommunistische Wahlempfehlung ausgesprochen. Werden Sie also als KPÖ kandidieren?

MUHRI: Wir haben schon vor der „Eisenstädter Erklärung“ und unabhängig davon beschlossen, daß wir bei den Nationalratswah- len als KPÖ in allen Wahlkreisen selbständig kandidieren.

FURCHE: Wo hoffen Sie auf ein Grundmandat?

MUHRI: Unsere aussichtsreichsten Wahlkreise sind der Wahlkreis 4 in Wien und der Wahlkreis Obersteiermark. Prognosen zu stellen ist aber sehr schwierig. FURCHE: In welcher Weise wollen Sie den Wahlkampf führen? MUHRI: Nun, was den politischen Inhalt des Wahlkampfes betrifft, so fordern wir besonders Maßnahmen gegen die Teuerung, für die Schillingstabilität, weiters eine Steuerreform, besonders eine Reform der Lohnsteuer, und die Lösung der Probleme einer modernen Struktur- und Konjunkturpolitik. Kernstück aber bleibt die Verstaatlichte Industrie, die Erhaltung dieses Sektors und der Ausbau durch neue Fertigungsbetriebe. Was die Formen der Wahlwerbung betrifft, so gibt es eine Reihe von Ideen. Wir werden natürlich mit den anderen großen Parteien nicht konkurrieren können, weil wir nicht diese finanziellen Mittel haben, aber wir werden doch; versuchen, auch optljjjįĮ aufzuscheinen. Wir wer- deiWschriftliches Informations- maW&al bieten, aber vor allem legen wir besonderes Gewicht auf das Gespräch von Mensch zu Mensch.

FURCHE: Mit welchen Mitteln werden Sie denn Ihren Wahlkampf finanzieren?

MUHRI: Wir haben schon seit längerem eine Wahl- und Presse- fondssammilung gestartet; die Kampffondssammlung wird laufend in der Partei in Verbindung mit der Beitragskassierung durchgefiührt. Und dann haben wir unsere Druckerei, den Globus-Verlag, der doch einen gewissen Gewinn abwirft, den wir ebenfalls zum Teil für die Finanzierung des Wahlkampfes verwenden werden.

FURCHE: Wie stellen Sie sich eigentlich zu einer möglichen „großen Koalition" in Österreich? MUHRI: Für uns ist die entscheidende Frage, weiche poiitisch- programmatische Grundlage eine neue Regierung hat. Wenn es zu einer großen Koalition kommt, dann wird eie zwar in etwas neuen Formen verwirklicht werden, aber die politische Grundlage wird dieselbe sein wie die der zwanzigjährigen großen Koalition. Diese hat gezeigt, daß sie die Grundprobleme unseres Landes nicht lösen kann. Einer solchen Koalition auf der Basis der Sozialpartnerschaft stehen wir sehr kritisch gegenüber.

FURCHE: Und eine kleine Koalition? Halten Sie die FPÖ für ministrabel?

MUHRI: Bekanntlich hat die KPÖ am entschiedensten den Charakter dieser Partei aufgezeigt. Wir halten die FPÖ für eine antiösterreichische Partei, die bis heute kein klares Bekenntnis zur österreichischen Nation abgelegt hat; im Gegenteil, sie tritt de facto gegen die immerwährende Neutralität auf oder bejaht sie zumindest nicht klar und eindeutig. Wir halten sie auch für eine Partei, die mit den neonazistischen Tendenzen verbunden ist, Konzessionen macht, mit diesen

Kräften liebäugelt und rechts von der Volkspartei steht. Koaliert die SPÖ mit der FPÖ, so bedeutet das, daß sich die Sozialistische Partei — zumindest zum Teil — zum Gefangenen dieser .Partei macht. Und das wäre entschieden abzulehnen.

FURCHE: Und eine Koalition ÖVP—FPÖ?

MUHRI: Das ist auch sehr gefährlich, denn da haben wir eine Bürgerblockregierung, die unserer Meinung nach die antidemokratischen Tendenzen in Österreich verstärken würde.

FURCHE: Würden Sie, besagte parlamentarische Macht voraus-

gesetzt, mit der SPÖ koalieren wollen, um eine Bürgerblockregierung zu verhindern?

'MUHRI: WW' sind entschiedene Gegner des Bürgerbloeks, aber genauso entschiedene ‘ Gegner der SPÖ mit der FPÖ. Man muß aber die konkrete politische Situation und die genaue Konstellation im Parlament in Betracht ziehen.

FURCHE: Sollte es wieder zu einer Alleinregierung der ÖVP kommen, werden Sie dann andere Maßnahmen in der Opposition treffen als bisher?

MUHRI: Ich glaube, daß es nicht zu einer Alleinregierung der ÖVP kommen kann. Es gibt nicht einmal einen ÖVP-Politiker, der daran glaubt.

FURCHE: Und eine SPÖ-Allein- regierung?

MUHRI: Das halte ich auch für unwahrscheinlich, Obwohl die SPÖ bei einer Reihe von Wahlen jetzt Gewinne zu verzeichnen hatte.

FURCHE: Sie rechnen also auf jeden Fall mit einer Koalition?

MUHRI: Ja.

FURCHE: Glauben Sie persönlich, daß k®e Kommunisten in das nächste Parlament einziehen werden?

MUHRI: Ich will offen zugeben, daß wir gewisse innerparteiliche Schwierigkeiten haben. Auch innenpolitisch gesehen ist die Situation so, daß wir den Wahlkampf unter schwierigen Bedingungen führen. Wir-werden trotzdem mit allen unseren Kräften zu zeigen versuchen, warum es für arbeitende Menschen einen Sinn hätte, daß Kommunisten im Parlament sind! Wesentlich ist die Frage, wie unsere Partei stimmenmäßig in dieser Situation abschneidet. Wenn wir uns halten oder sogar etwas ausbauen könnten, wäre das ein politischer, moralischer Faktor, den auch die Gegner in Rechnung stellen müßten. Aber eines ist bestimmt unrichtig: daß sich unsere Partei in Auflösung befindet; davon kam keine Rede sein. Wir haben gewisse Schwierigkeiten, aber wir werden im Wahlkampf als eine sehr aktive Kraft in Erscheinung treten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung