Hoffnung durch die Röhre
Therapie durch Quantenphysik? Die kuriosen Methoden von „Quantenheilern“ haben nichts mit Wissenschaft gemein. Heute hingegen zeigen Experimente mit bildgebenden Verfahren, wie künftig echte Quantenmedizin aussehen kann. Eine Gegenüberstellung.
Therapie durch Quantenphysik? Die kuriosen Methoden von „Quantenheilern“ haben nichts mit Wissenschaft gemein. Heute hingegen zeigen Experimente mit bildgebenden Verfahren, wie künftig echte Quantenmedizin aussehen kann. Eine Gegenüberstellung.
Geschrei hallt durch die Wiener Rasumofskygasse. Neugierige Nachbarn recken die Hälse, um zu sehen, was sich vor dem Palais unter Nummer 29 abspielt. Ein aufgebrachtes Elternpaar, der Vater mit gezücktem Säbel, die Mutter der Ohnmacht nahe, führen ihre Tochter aus dem Anwesen. Die junge Frau ist in der Wiener Gesellschaft des 18. Jahrhunderts keine Unbekannte: Es ist die Starpianistin Maria Theresia von Paradis, ein Günstling ihrer Namensvetterin, der Kaiserin. Seit ihrer Kindheit erblindet, hat sie ab 1775 in der Rasumofskygasse 29 Heilung gesucht – ohne Erfolg. Als Gerüchte laut werden, dass der Hausherr weniger an ihrem Augenlicht als an der 18-Jährigen selbst interessiert wäre, holen sie die Eltern unter Protest zurück. Auch dieser Hausherr ist weit und breit bekannt. Es handelt sich um den Magnetiseur und Wunderheiler Franz Anton Mesmer.
Mesmers magnetische Lebenskraft
Mesmers Heilungsmethode beruhte auf der Annahme, ein „magnetisches Fluidum“ würde die Menschen mit dem Kosmos verbinden. Diese Lebenskraft könne sich in Unordnung befinden, wodurch Krankheiten entstünden. Wollte Mesmer anfangs noch mittels Magneten die „Harmonie“ in seinen Patienten wiederherstellen, genügte später bloßes Handauflegen für die Heilung. Der Mediziner führte in abgedunkelte Räume, wo er ihnen tief in die Augen blickte – und auf die Kraft seines Charismas vertraute. Schnell kamen seine Behandlungen in Mode und Mesmer stieg in der Wiener Gesellschaft auf. Erst 1777, nach dem Skandal wegen Von Paradis, jagte ihn die Wiener Ärzteschaft aus der Stadt. Diesen Ärzten war damals schon klar, dass an Mesmers Theorien nichts dran ist. Das hinderte den findigen Wunderheiler aber nicht, seinen Wiener Erfolg in Paris zu wiederholen.
In einer Zeit, in der Elektrizität und Magnetismus erst erforscht wurden, faszinierte Mesmers magnetische Lebenskraft seine Mitmenschen. Magneten waren der Inbegriff wissenschaftlichen Fortschritts. Kein Wunder also, dass viele bereitwillig glaubten, dass diese rätselhaften Geräte zur Heilung dienen könnten. Was im 18. Jahrhundert Magnete waren, ist heute die Quantenphysik. Schon nach einer kurzen Suche im Internet stößt man auf zahlreiche Anbieter, vom Kosmetikstudio bis zur Hausärztin, die mit unterschiedlichsten „Quanten-Methoden“ Heilung versprechen: Es werden „Energiespiralen zur Auraheilung“ feilgeboten; Vorrichtungen, die Rückenschmerzen mittels „Magnetquanten“ kurieren; oder Geräte, die ein sogenanntes „Informationsfeld“ ausmessen – was auch immer das sein mag. Dabei wimmeln die Webseiten dieser Quantenheiler nur so vor Fachausdrücken und es werden fleißig Einstein, Bohr und Co. zitiert.
Trotz der professionellen Aufmachung haben diese Methoden nichts mit Wissenschaft zu tun. Doch zu welchem Zweck berufen sich Quantenheiler auf Spitzenforschung? „Das Wort ‚Quanten‘ hat eine beinahe magische Wirkung“, sagt Andreas Hergovich, Psychologie-Professor an der Uni Wien. Beziehen sich Vertreter der heilenden Berufe auf die Quantenphysik, erhöht das ihre Glaubwürdigkeit. Plötzlich wirken rätselhafte Methoden weniger dubios, werden sie doch mit scheinbar ähnlich Mysteriösem, den Quanten, erklärt. Das erhöht das Vertrauen der Menschen in die Quantenheiler. „Letztlich borgen sich diese Scharlatane von der Wissenschaft Legitimität“, so der Psychologe. Damit geben sie ein Expertentum vor, das sie nicht besitzen und erwecken bei Menschen falsche Hoffnungen. In der Wissenschaftsgemeinde finden die Methoden der Quantenheiler meist keinen Zuspruch. „Das ist Quantenquark“, sagt Beatrix Hiesmayr lapidar. Doch bedeutet das, Quantenmedizin gehört gänzlich ins Reich der Träume? Mitnichten! Hiesmayr ist Teil des J-PET-Projekts der Universität Krakau. Dort erforscht die Wiener Physikerin, wie Quantenphysik tatsächlich medizinisch genutzt werden kann.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!