Facetten der Diskriminierung

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Obwohl es Gesetz ist, bestehen nicht für alle Menschen in Österreich die gleichen Chancen auf einen Arbeitsplatz. | Die Zurücksetzung hat mit Hautfarbe zu tun, im Alltag oft mit psychischen Erkrankungen, was besonders belastet.

Christoph Kummer weiß, wie die Chancen für Ausländer am Arbeitsmarkt aussehen: Er ist Sachverständiger für Berufskunde und wird vom Gericht beauftragt, Gutachten über Arbeitsmöglichkeiten von arbeitslosen Unterhaltspflichtigen zu erstellen. Keine leichte Aufgabe: "Viele arbeitslose Menschen bekommen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit keinen Job“, sagt Kummer etwa über einen 38-jährigen in Nigeria geborenen Kindesvater.

Dessen Geschichte: Er lebt seit sieben Jahren in Österreich, kann keinen Unterhalt für seine zwei Kinder bezahlen. Seine Exfrau fordert vor Gericht Alimente, denn er wolle nicht arbeiten und entziehe sich seinen Verpflichtungen. Seine Versuche, in Österreich eine Arbeit zu bekommen, scheitern. In seinem Heimatland hat er, so sagt er, wirtschaftswissenschaftliche Studien abgeschlossen. Bis zu seiner Einreise in Österreich war er in der Werbe- und Medienbranche in Nigeria tätig. Um realistische Ergebnisse wegen der Arbeitsvermittlung des Nigerianers zu bekommen, befragt der Sachverständige sieben Unternehmen: "Ich sage den Firmen Anonymität zu, um möglichst reale Ergebnisse zu erlangen.“ Die Antwort der befragten Firmen lauten unisono: Keine Anstellung. Aus vielen Gründen.

Eine Stelle als Küchenhilfe wurde wegen der Nationalität des Bewerbers abgelehnt. Da er dunkelhäutig sei, könne er nicht in der offenen Küche arbeiten, denn dies verschrecke die Gäste Auch als Mietwagenfahrer wird er nicht eingestellt. Der Grund: die Hautfarbe. "Der schlechte Status der Drogenmafia führt zu rassistischen Vorurteilen, denen Nigerianer ausgesetzt sind“, klagt Kummer über die Nichtanstellung von afrikanischen Menschen.

Aber nicht nur der dunklen Hautfarbe wegen wird Arbeitsuchenden das Leben erschwert, sondern aufgrund ihrer Herkunft: Ein Ägypter wurde wegen angenommener Frauenfeindlichkeit abgewiesen, berichtet der Experte Kummer von einem weiteren Fall. Die Nichtvermittlung des Ägypters im Gastgewerbe wurde unter anderem mit seinem Stolz begründet. Wegen seiner Mentalität und seines Frauenbildes sei keine Einstellung als Servierkraft möglich. Ein anderes Beispiel: Obwohl ein 42 Jahre alter Türke schon 18 Jahre in Österreich lebte, wurde er von einem Mietwagenverleih abgewiesen, weil bei Personen türkischer Herkunft Zuverlässigkeit und Freundlichkeit fehlen würden. Die Einstellung von Türken reiche nicht für eine Beschäftigung, hieß es aus dem Unternehmen.

Um gegen diese Ungleichbehandlungen am Arbeitsmarkt rechtlich vorzugehen, können sich Betroffene an die "Anwaltschaft für Gleichbehandlung“ oder den "Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern“ wenden. Das Diskriminierungsverbot der EU-Charta und der EU-Richtlinien untersagen es, Menschen wegen bestimmter Merkmale ungleich zu behandeln. Mit der Informationskampagne "Für Vielfalt. Gegen Diskriminierung“ arbeitet die EU für Gleichbehandlung der Menschen in Europa. Seit dem Start vor sieben Jahren wurden 500 Organisationen in die Kampagne eingebunden und Hunderte von Aktivitäten organisiert. Eine, so scheint es, tägliche und notwendige Aufgabe. Denn es gibt zu viele Facetten der Diskriminierung.

Die Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit "pro mente“ begleitet Menschen mit psychischer Erkrankung in ihrer Freizeit, zu Behörden und bei Arztbesuchen. Eine ihrer ehrenamtlichen Mitarbeiterin berichtet: "Diese Personen erleben von außen Diskriminierung, also schiefe Blicke, Abneigung, das Auflösen lang bestehender Kontakte. Andererseits wollen sich viele nicht eingestehen, krank zu sein, verschweigen ihre Situation und landen in Einsamkeit.“ Ähnliches berichtet Barbara Pfieffer, Sozial- und Integrationspädagogin aus Graz.

Menschen mit psychischen Erkrankungen, die zudem länger arbeitslos oder zusätzlich noch Ausländer seien, würden einer gesellschaftlichen Stigmatisierung ausgesetzt. Der Leistungsgedanke sei in unserer Gesellschaft fest verankert; psychische Erkrankungen, geistige Behinderungen oder Langzeitarbeitslosigkeit hingegen tabuisiert. Aus der Unwissenheit entstehe Angst, jedenfalls unzutreffende, verdrehte Vorstellungen - und das führe dann wiederum zu Diskriminierung und Segregation. Eine beschämende Lage, die auch aufgrund geradezu rassistischer Verhaltensweisen zu erleben ist.

Dijana, eine 21 Jahre alte Studentin in Wien, wird mit drei Freunden in einer Diskothek am Gürtel in Wien abgewiesen: "Heute nur Stammgäste“. Dijana lebt seit den Tagen des Kindergartens in Wien, ist österreichische Staatsbürgerin, aber ihre Begleiter sind doch zu offensichtlich Ausländer: Sie flüchteten vor 17 Jahren vor dem Krieg in Bosnien nach Wien. Und es wird ihnen gezeigt, nicht hierher zu gehören. Für die zweite Diskothek ist ein T-Shirt zu leger, für die dritte seien sie "zu primitiv“, wird ihnen gesagt. Die vier landen schließlich im 16. Bezirk, in dem es die meisten Lokale von und für ehemalige Jugoslawen gibt.

Für die Erklärung, "Heute nur Stammgäste“ musste übrigens ein Türsteher 2010 in St. Pölten 1440 Euro Schadenersatz bezahlen - wegen Einlassverweigerung aufgrund der ethnischen Herkunft.

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