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Chronik, Klatsch und Wahrheit

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Einige kriegshästorische Stellungnahmen können zum Sturz Conrads noch weitere Einzelheiten beisteuern. K. F. N o- w a k, der getreue Biograph des Feldmarschalls, glaubt an eine ganze Verschwörerfront gegen den General, dessen energisches Auftreten gegen manche Mißstände Anlaß gewesen sei, seine Stellung zu untergraben. Cramon sah in Conrad ein Hindernis gegen einen Sonderfrieden, das beseitigt werden mußte, und vermerkt nebenbei „klerikale" Einflüsse, mit denen indessen die Berufung des lutherischen Arz und des kalvinischen H o r t h y auf die militärischen Spitzenposten nicht recht in Einklang zu bringen ist. Nach W erkmann und Sch on t a war die Friedenspolitik das Hauptmotiv. Arz berichtet, „die starre Hartnäckigkeit und die ablehnende Wesensart Conrads" hatten an höchster Stelle mißfallen und „bei der großen Verschiedenheit der Temperamente, der Art und des Wesens war ein harmonisches Zusammenwirken nicht zu erwarten". Glaise hebt den Altersunterschied, die Selbstherrlichkeit, die Einstellung Conrads gegen Tis za und die Unterschiede in der Weltanschauung hervor, während das österreichische Generalstabswerk die geänderte Stellung des neuen Oberkommandanten, dessen Friedensbestrebungen, persönliche Gegensätze sowie die Frontvertrautheit des Generals v. Arz und des neuen Chefs der Operationsabteilung v. Waldstätten unterstreicht.

Es darf nicht überraschen, daß man auch mancherlei Hinweise findet, es seien vertrauliche abträgliche Äußerungen gegen-

seitig gefallen und gegenseitig hinfer- bracht worden, und bisweilen ranken sich bis zum niederen Klatsch absinkende Argumentierungen um einen Fall, der derlei Begründungen gar nicht benötigt.

Conrad ist kein Unrecht geschehen, denn der neue Monarch hatte das volle Recht, sich seine engsten Gehilfen auszuwählen. Auch von Undank kann nicht die Rede sein, denn Conrad ist unter den Feldherren des ersten Weltkrieges der von Franz Joseph I. und Karl I. am meisten geehrte und am öftesten ausgezeichnete.

Daß sich ein Mann wie Conrad durch die Enthebung seelisch verwundet fühlte, erscheint mehr als begreiflich, mußte doch dieser nicht erhörte Warner so viel Böses ernten, was andere gesät hatten. Was aber den Kaiser und seinen Feldmarschall ehrt, ist nicht nur die Form, in der von beiden Seiten getrachtet wurde, um eine sehr unliebsame Notwendigkeit herumzukommen, sondern auch die Tatsache, daß jeder für sich die Überzeugung für eine gut gehaltene Sache über alles stellte. Nicht von einigen unerfreulichen, doch immer nur untergeordneten Begleitumständen wird die Geschichte berichten, sondern lediglich von einem Regenten und seinem Ratgeber, die sich in undankbarerRolle bei der Verfolgung lauterster Ziele selbstlos für andere exponiert und verbraucht haben.

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