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Conrads Entlassung

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Die Entlassung bedeutender Staatsmänner oder Feldherrn hat stets Anlaß zu eingehender Untersuchung der Ursachen gegeben, von denen dann gerne jene her- vorgehoben werden, die sich zu einer Dramatisierung des Falles eignen. Die große Politik ist keine harmonische Beratung der Regierenden, sondern eine Kette ununterbrochener, oft heftiger Meinungsverschiedenheiten, die mit der Zeit zur Entlassung dieser oder jener Persönlichkeit führen. Auch die besten Feld- herfn blieben von diesem Gesetz der Politik nicht verschont. John Churchill, der Herzog von Marlborough, wurde nach seinen herrlichen Siegen 1711 entlassen, Preußens Heros, Gneisenau, fiel 1816 in Ungnade, Frankreichs Retter an der Marne 1914, Joffre, mußte 1916 zurücktreten, und erst vor einem Jahr erlebten wir es, daß Amerikas erfolgreicher General, Mac Arthur, enthoben wurde. Aber nicht nur von oben erfolgen solche Stürze, auch von unten fegt das abstimmende Volk Männer hinweg, die vor der Wahl noch der Inbegriff nationaler Größe waren: Churchill und De Gaulle im Jahre 1945.

Feldmarschall Conrad mußte zweimal das Amt des Chefs des Generalstabes niederlegen: am 30. November 1911, als Graf Aehrenthal in einem Ringen Sieger blieb, dessen problematischen Wert man heute bereits klarer sieht, und am 2. März 1917, als sich der Kaiser entschloß, ihn an die Spitze einer Heeresgruppe zu stellen, die fortan den Namen „Conrad“ zu führen hatte. Am 27. Februar setzte der höchste Offizier des Reiches,

Erzherzog Friedrich, General v. Conrad vom geplanten Dienstpostenwechsel in Kenntnis, am Tag darauf heftete Karl I. dem sich gegen eine weitere Verwendung noch wehrenden Marschall sein eigenes Großkreuz des Maria-Theresien-Ordens an die Brust, am 1. März überbrachte der Chef der Militärkanzlei ein die Übernahme des neuen Kommandos betreibendes Handschreiben, und mit einem zweiten Handschreiben vom 2. März erfolgte die Enthebung vom Posten des Chefs des Generalstabes, die dann am 3. März der Öffentlichkeit bekannt wurde.

Die Enthebung vollzog sich in ehrenvoller Weise, und der Kaiser ließ es auch in Zukunft nicht an weiteren Gunstbezeigungen fehlen, er berief Conrad, den er ja auch nach den Erzherzogen Friedrich und Eugen zum dienst- rangältesten Feldmarschall befördert hatte, später noch zum Kanzler des Theresien- Ordens und zum Obersten sämtlicher Leibgarden, und erhob ihn in den Grafenstand.

Alle ausländischen Kollegen Conrads auf höchsten Führungsposten, so der jüngere Moltke, Falkenhayn, Joffre, French und Großfürst Nikolai Nikolajewitsch, waren bereits vor Conrad verabschiedet worden, und Cadorna folgte bald nach. Wenn gerade Conrads Rücktritt ausnahmsweises Aufsehen erregte, ist dies ein Beweis dafür, welchen hohen Ansehens sich der österreichische Generalstabschef erfreute; dies kam auch in den Pressekommentaren in aller Welt ungeteilt zum Ausdruck.

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