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MARSCHALL S0K0L0WSKI / ER BEGANN BEI K. U. K.

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Über die sowjetischen Heerführer des „großen vaterländischen Krieges“ ist diesseits des Eisernen Vorhanges wenig bekannt. Man kennt sie nur von undeutlichen Paßbildern, sieht sie von fern auf den Tribünen stehen, den Vorbeimarsch abnehmend: energische Köpfe, finstere Gesichter, breite Epauletten, der stiernackige Hals umschlossen vom steifen Kragen und eine ordensbesäte Brust. Die knappen westlichen Kommentare zur Erklärung, der sowjetische Oberbefehlshaber Marschall Wassilij Sokolowski sei — mit einer Reihe anderer alter Haudegen — aus gesundheitlichen Gründen in Pension geschickt worden, entsprachen der mangelnden Kenntnis von der Spitze der Sowjetmacht. Da und dort tauchten einige Zeilen auf, wie diese: „Sokolowski, fähiger Stratege, wollte Schullehrer werden, trat, 20jährig, der Roten Armee bei...“

Diese Notiz ist ebenso kurz wie falsch. Trotzkis Schöpfung existierte nämlich 1912 noch nicht. Der Abkömmling einer kleinadeligen polnischen, in Galizien ansässigen Familie, 1892 geboren, trug zu dieser Zeit wohl schon Uniform, aber es war die schlichte des kaiserlich-königlichen Offiziers. Nach dem Einjährig-Ereiwilligen-)ahr ließ er sich aktivieren und diente als „Bimser“, wie die Artilleristen genannt wurden, in dem in Laibach stationierten k. u. k. Feldkanonenregiment Nr. 7 unter Oberst Aßmann. Diesem Regiment gehörten viele Sieirer an, die sich noch seiner erinnern. Auch der verstorbene Altlandeshauptma-m Pirchegger diente mit Leutnant Sokolowski und wußte immer wieder von dem großgewachsenen, dunkelhaarigen Offizier zu erzählen. Im Nachbarkorps, dem 13., dienten übrigens auch ein Korporal Josip Broz und ein Fähnrich Alois Stepinac — der erste wurde später als Marschall Tito bekannt, der Fähnrich trug dann die Insignien eines Kardinals der römischen Kirche.

Das Regiment Sokolowskis kämpfte zu Kriegsbeginn an der galizischen Front, in den Schlachten bei Lemberg und am San. Nach der Kriegserklärung Italiens stand die Batterie VI, bei der Sokolowski Batterieoffizier war, bei Görz, wo der armeebekannte Major

Richard Körner, Bruder des Bundespräsidenten, als Artilleriestabsoffizier fiel. Am Isonzo zeichnete sich Sokolowski wiederholt aus. Er wurde am 1. November 1916 zum Oberleutnant befördert und unter anderem mit dem Signum Laudis mit Schwertern und der großen silbernen Tapferkeitsmedaille dekoriert. 1917 wird er zum Feldhaubitzenregiment Nr. 28 transferiert. Dann folgt eine Lücke. vÜber den Aufstieg in der Roten

Armee ist hierzulande so gut wie nichts bekannt. Gewiß haben hauptsächlich die militärischen Fähigkeiten Sokolowskis Aufstieg mitbestimmt. Erst 1941 hört man wieder von ihm. 1942 war er unter Schukow als Generalstabschef an der großen Abwehrschlacht von Moskau beteiligt, 1942/43 als Armeekommandant bei Stalingrad. 1945 wurde er Oberbefehlshaber der Truppen der ukrainischen Front unter Marschall Konjew. Mit ihnen erzwang er den Durchbruch nach Berlin. Er war bei der Unterzeichnung der Kapitulation zugegen und trat am 10. April 1946 an des populären Schukow Stelle, wurde Oberbefehlshaber der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und Sowjetver-, treter im Alliiertenrat. Der elegante General blieb seinen alliierten Partnern unverges-se'n. Er machte ihnen das Leben nicht leicht, sie anerkannten aber seinen Fleiß und seinen , scharfen Verstand. Seine Gedanken sind, so schreibt Kalinow, „außerordentlich diszipliniert und mit geradezu mathematischer Genauigkeit ausgerichtet“.

Damals, 1946, schrieb ihm ein ehemaliger Regimentskamerad aus der Steiermark. Er erhielt umgehend eine freundliche Antwort des Marschalls, der Grüße an die alten Regimentskameraden bestellte und dem Briefschreiber in einem Anliegen behilflich war. Maria Magdalena Sieber, bekannter unter dem Namen Marlene Dietrich, die 1945 in US-Uniform bei Sokolowski vorsprach, wußte von der großen Artigkeit und gesellschaftlichen Gewandtheit, seinem unleugbar polnischen Erbteil, zu berichten. Am 29. März 1949 erfolgte seine Ernennung zum stellvertretenden Kriegsminister. Etwa ein Jahrzehnt darauf endete nun eine erfolgreiche militärische Laufbahn, die unter dem Doppeladler begann.

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