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Sozialismus heute?

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WAS IST SOZIALISMUS HEUTE? Mit verschiedenen Beiträgen. Verlag J. P. Bachem, Köln, I9B6. 136 Seiten, kart..

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WAS IST SOZIALISMUS HEUTE? Mit verschiedenen Beiträgen. Verlag J. P. Bachem, Köln, I9B6. 136 Seiten, kart..

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So schwierig, wenn nicht in manchen Situationen unmöglich es zu sein scheint, den gegenwärtigen Sozialismus zumindest für den Schulgebrauch zu definieren, so sehr ist doch jeder Versuch gerechtfertigt, das Phänomen Sozialismus angesichts permanenter Konfrontation mit seinen Effekten begreiflich zu erfassen.

Nach dem Titel des vorliegenden Buches mußte man vermuten, daß e sich bei dem Werk um eine begriffstheoretische und materielle Untersuchung des Sozialismus handeln würde. Das ist nun leider nicht der Fall, wenn man vom ersten Beitrag absieht. Was Sozialismus ist, wird von fast allen Autoren unter den Aspekten des Sozialismus-Kirche-Verhältnis gesehen. Überdies stammen die Beiträge (die größtenteils nicht für den vorgelegten Sammelband originär verfaßt worden sind) aus verschiedenen Zeiten, so daß das Wort „heute“ keineswegs so etwas wie eine Synchronisierung der Analyse anzudeuten vermag.

Der erste Beitrag, der einen der international bekannten Experten in Fragen des theoretischen Marxismus, Professor Jean-Yves Calvez SJ., zum Verfasser hat, stellt im Wesen einen hervorragend kommentierten „Zitatenschatz“ dar. Wertvoll und zum Verständnis des Revisionismus bedeutsam ist der Hinweis des Verfassers, daß dem Sozialismus die „Objekte“ entzogen worden sind, etwa jene provokative Not, die sich ehedem in Ideen sublimierte. In einem erheblichen Umfang war es der (realisierte) Sozialismus selbst, der den Gegenstand seines Denkens, seiner Postulate, aufgehoben und dazu beigetragen hat, sich durch Vollendung in eine Art Liquidationsreife zu bringen.

Professor Gustav Gundlach SJ. (t) beschränkt sich auf die Beziehungen von Kirche und Sozialismus und sieht sie in jener Eindeutigkeit geradezu zementiert, wie sie seinerzeit Cathrein zum Ausgang seiner vehementen Marxismuskritik gemacht hatte. Auch die Thesen des Godesberger Programms der SPD konnten den Verfasser zu keiner Revision seiner Annahmen bewegen.

Hervorragend ist die Arbelt von Professor Franz Klüber (Ordinarius an der Philosophisch-theologischen Hochschule in Regensburg), der sich zwar ebenfalls mit dem Kirche-Sozialismus-Verhältnis befaßt, seine Schlüsse jedoch auf Grund eingehender und von keinem Vorurteil bestimmter Untersuchungen faßt. Die Gestaltung seines Themas engt der Verfasser auf die Frage ein, wieweit die sozialistische Programmatik, angezeigt i,m Godesberger Programm der SPD, mit der katholischen Gesellschaftslehre abgestimmt werden kann. In diesem Zusammenhang prüft K. das berühmte Sozialismusverdikt von Pius XI. „ ... sie vere manet socialismus...“ und kommt zur Feststellung, daß dem neuen Programm der deutschen Sozialisten kein Sozialismus entspreche, wie er noch im Sinn der seinerzeitigen Klassifikation von „Quadragesimo anno“ dargestellt und indiziert worden sei.

Auch Professor Oskar Nell-Breu-ning SJ. sieht im Sozialismus, wie ihn die Enzyklika „Rerum novarum“ zum Gegenstand ihrer Kritik gemacht hat, eine innerkapitalistische und insoweit historische Gegenbewegung. Was „Quadragesimo anno“ als Sozialismus (inhaltlich) ablehnt, wird auch im Godesberger Programm „indiziert“. Jedenfalls ist nach Professor Nell-Breuning auf sozialem und ökonomischem Gebiet die Differenz, die der Sozialismus mit der christlichen Soziallehre hat, geringer als deren Differenz mit dem Neoliberalismus (S. 96). Dieser Hinweis soll jedoch keineswegs bedeuten, daß nicht noch ein großer Nachholbedarf bei der SPD hinsichtlich ihrer Haltung gegenüber der katholischen Kirche bestehe.

Professor Marcel Reding („Vorfragen einer Betrachtung des Verhältnisses von Sozialismus und katholischer Kirche“) analysiert die päpstlichen Weisungen zur Frage des Sozialismus, wobei er auf die Generalisierungen hinweist, mit denen die Päpste im vorigen Jahrhundert in Sachen der Beurteilung des Sozialismus gearbeitet hatten, etwa die Egalisierung von Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus, die „in einem Atem“ genannt werden (S. 107). Auch M'.rcel Redins geht ohne Befangenheit an seinen Unter-suchungsgesciistand heran. Im Besonderen befaßt sich der Autor mit der Frage des Atheismus im Sozialismus.

Bartolome Sorae SJ. (Redakteur von „La Civiltä Cattolica“) bestätigt, daß sich die Enzyklika „Mater et Magistra“ zum modernen demokratischen Sozialismus nicht geäußert habe, wirft dem Sozialismus jedoch seine starke Bindung an den modernen Liberalismus vor.

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