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Kapital, Lohn, Statistik

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KAPITALISMUS UND GERECHTER LOHN. Von Oswald von N e 11 - B r e u- n i n g. Band 67 der Herderbücherei, Freiburg. 192 Seiten. Preis 15 S.

Es gibt nicht viele Sozialwissenschaftler, die in der gleichen wissenschaftlichen Unbestechlichkeit über ein so heikles Thema wie den „Kapitalismus” referieren können wie Pater Nell-Breuning. Auch der vorliegende kleine Band der Herderbücherei, vor allem für Schulungszwecke verfaßt, zeugt von diesem Tatbestand.

Das Phänomen des Kapitallsihus — schon- - begrifflich kaum eindeutig festzulegen — wird in der ganzen Breite der erfaßbaren Erscheinung bloßgelegt. Es wird unterschieden zwischen dem, was am Kapitalismus unmoralisch (Gesinnung) ist und den neutralen Ausweisen, den mit „kapitalistisch” klassifizierten wirtschaftsorganisatorischen Verfahrensweisen.

Das üble Resultat kapitalistischer Gesinnung im Bereich des Wirtschaftens war anfänglich der Pauperismus neuzeitlicher Art. Er ist heute im Wesen liquidiert. Geblieben ist aber die Erscheinungsweise des Proletariates. Freilich kann man das Angewiesensein des Menschen auf die Verwertung seiner Arbeitskraft im kombinierten Einsatz mit fremden Produktionsmitteln kaum als ausreichendes Kriterium für den Bestand einer proletarischen Situation ansehen.

Unter Verwendung der Instrumentarien der Nationalökonomie befaßt sich der Verfasser mit dem Lohnproblem, besonders so weit es vom sozialen Standpunkt aus von Belang ist. An den Nahtstellen der Auseinandersetzungen steht die Frage, ob es so etwas wie eine Lohn-Preis-Spirale gebe oder ob die Bewegung in der entgegengesetzten Richtung verlaufe. Gerade in der Analyse des Lohnproblems erweist sich der Wille des Verfassers, Zeugnis für die Wahrheit zu geben, also objektiv in einem menschenmöglichen Sinn zu sein. Nell- Breuning ist heute in der Bundesrepublik zwischen den Fronten, weil er bemüht ist, interesselos zu denken. Auch in der Sozialwissenschaft, die trotz vielem wertefreien Getue Gegenstand von Manipulationen der Interessenten geworden ist.

In einem dritten Teil befaßt sich der Autor mit der Familie als einem auch sozialökonomischen Problem, vor allem mit den Versuchen der Einführung des sogenannten Familienlohnes in seinen verschiedenen Darstellungsweisen.

Wer eine kurze und ohne Vorkenntnisse lesbare — aber trotzdem wissenschaftlich einwandfreie — Einführung in die im Titel angedeuteten Probleme haben will: Das Buch bietet sie in einer hervorragenden Weise.

STATISTIK IM MODERNEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALLEBEN. Von Hans Kellerer. Band 103/104 von rowohlts deutscher enzyklopädie. 288 Seiten. Preis 4.40 DM.

Komform dem Entstehen und dem Absterben der staatlichen Verwaltung entsteht und verkümmert die Statistik. In der Gegenwart, in der man sich sowohl von Seite des Staates wie von der Wirtschaft her mit den Komplexen der Massenerscheinungen beschäftigt und sie „in den Griff bekommen” will, bedient man sich in ♦

BÜRGERTUM UND UNTERNEHMERTUM IN DER DEFENSIVE. Von Georg J. E. Mautner Markhof. Guardval- Verlag, Wien. 96 Seiten.

Der Verfasser — ein Angehöriger der bekannten Industriellenfamilie — legt uns eine Reihe von Aufsätzen vor, die im

Grundgedanken mit der Frage des Bestandes des Bürgertums (dessen, was M. unter „Bürgertum” versteht) gegenüber dem andrängenden Sozialismus (dem, was M. unter „Sozialismus” versteht) befaßt sind.

In einer freimütigen Auseinandersetzung rechtfertigt der Autor in einer wohltuenden Unbekümmertheit seine Thesen von der sukzessiven Entmachtung des Bürgertums, das Schritt um Schritt gegenüber dem Sozialismus zurückweichen muß, weil es noch kein Selbstverständnis zu gewinnen vermochte. Ja, weil es den Marxismus in sich trägt, den Willen, einen Etatismus zumindest zu tolerieren. Daß es freilich auch einen anderen Kollektivismus gibt, der sich vom etatischen nur durch die privatwirtschaftliche Firmierung unterscheidet (man denke an die Macht der internationalen Konzerne und der sonstigen „bürgerlichen” Kombinate), verschweigt der Verfasser.

Die ÖVP, als die bürgerliche Partei schlechtweg erklärt, wird eines Kollektivismus in ihren Handlungen bezichtigt.

Wenn auch — entgegen einer formellen Definition am Ende des Heftes — das Bürgertum mit den Eigentümer-Unterneh mern gleichgesetzt wird, geht M. stets davon aus, im Bürgerlichen nicht so sehr den sozialökonomischen Status zu sehen als eine Gesinnung. Gleiches gilt für den Sozialismus.

Beide, Sozialismus und Bürgertum, wollen aber (bereits) dasselbe: Die Wohlfahrt der Bürger des Staates. Worin sie sich unterscheiden, das sind lediglich die Methoden, mit denen sie ihre Ziele (das gemeinsame Ziel) zu erreichen suchen.

Das Bürgertum hat aber nur eine Chance, gegenüber dem Sozialismus zu bestehen: die Kraft der Überzeugung.

Das schmale Heft ist ein vehementer Aufruf an alle Bürgerlichen (im Sinne von M.), aus der Defensive heraus zum Kampf für die „Freiheit der Wirtschaft und des Geistes” anzutreten.

Eine lebendige Kampfschrift, die robust und aufrichtig bestimmte Gedankengänge vertritt und sich wohltuend von leisetreterischen Schriften ähnlicher Art abhebt, was auch dann festgestellt werden muß, wenn man sich nicht den Gedankengängen des Verfassers anschließen kann.

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