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Antisozialismus

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Das jugoslawische ZK-Mitglied Mirko Tepavac zum Kommunismus in Prag

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Das jugoslawische ZK-Mitglied Mirko Tepavac zum Kommunismus in Prag

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Der Sozialismus steht heute in der Welt nicht umzingelt da, wie dies noch vor einem halben Jahrhundert der Fall war, als die Leninsche Oktoberrevolution den Sieg davontrug. Es gibt heute nicht nur einige Dutzend Länder, deren Völker den Weg des Sozialismus eingeschlagen haben, sondern auch die ganze Welt wird allmählich von sozialistischen Ideen erfaßt. Der letzte Frühling bot ein erregendes P'ld weitgehender Erschütterungen in verschiedenen Teilen der Welt und gigantischer Bewegung der Massen — vor allem junger Menschen, die, mit roten, revolutionären Fahnen in der Hand, sozialistische Forderungen stellten.

Das gemeinsame Merkmal all dieser Gärungen bildeten die Forderungen nach Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, Beteiligung an gesellschaftlichen Angelegenheiten sowie nach Abschaffung der Ausbeutung, Versklavung und Vorherrschaft.

Großstädte, Betriebe und Hochschulen wurden in diesem Frühling von roten Fahnen uhd Marxschen Porträts überschwemmt. Aber auch die Länder, wo der Sozialismus schon gesiegt hat, wurden von den Forderungen erfaßt nach breiteren, demokraitiischeren und unabhängigeren Formen des gesellschaftlichen und politischen Lebens, nach einer größeren Freiheit der Persönlichkeit, des Bürgers und des Produzenten. Durch den ungestümen Vorstoß sozialistischer Ideen wurde nicht nur der Kapitalismus, sondern auch der bürokratische Zentralismus in den sozialistischen Ländern erschüttert.

Auf der jüngsten Sitzung des Zentralkomitees des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens stimmten alle Teilnehmer darin überein, daß gerade dies eine der entscheidenden Ursache für die unternommene bewaffnete Intervention bildet Auf dem erwähnten Treffen wurde klipp und klar festgestellt, daß die vom Westep,, ęjręįiende „ kęįąęin

Grund aur Intervention gegen die Tąęfeęph JpjvaJsei, Ääb Fpn p-dW eigentliche Grund hierfür sei in der

Gefahr eines Sieges des demokratischen Sozialismus zu suchen, der vom tschechoslowakischen Volk und

seiner Führung trotz aller Schwierigkeiten gewählt worden war. Auf diese Weise hat sich eine Gruppe der sozialistischen Länder — allen voran die Sowjetunion — nicht nur für das eigene, einzige Modell des Sozialismus erklärt, sondern auch ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, jedes andere Modell durch Pression und bewaffnete Gewalt unmöglich zu machen.

Auf diese Weise hat die Sowjetunion die schlimmste Befürchtung nur bestätigt: daß sie entschlossen ist, „ihren Sozialismus“ als Instrument nicht nur ihrer ideologischen, sondern auch ihrer Großmachtvorherrschaft grob und unerbittlich aufzudrängen.

Sosehr das Geschehene und die Art, wie es dazu gekommen ist, einen schweren Schlag für den Sozialismus und einen starken Auftrieb für die antikommunistische Hysterie der Welt darstellt, so liefert die Ver

urteilung dieses Schritts von selten anderer sozialistischer Länder und der gesamten internationalen Arbeiterbewegung eineh Beweis dafür, daß es sich hier nicht um die Natur des Sozialismus, sondern um den Verrat am letzteren handelt. Die tschechischen und die slowakischen

Kommunisten haben diesen Glauben durch ihre tapfere Haltung bekräftigt, aus der klar zu erkennen ist, daß der Sozialismus auch heute noch das Ideal, die Gewalttätigkeit hingegen eine Schande ist. Niemand in der Tschechoslowakei hat in diesen schweren Tagen und Nächten. geschrien: „Nieder mit dem Sozialismus!“ Statt dessen waren die Stimmen aller in einem Slogan vereinigt: „Nieder mit der Okkupation!“

Doch all dem ist noch eins hinzuzufügen: sollte die Unvernunft auch weiterhin zunehmen und die Gefahr, in welcher Form und von welcher Seite auch immer, sich unseren Gren- zenmähern, dann würde, unsere .einzig mögliche Haltung' heißen: rtsiiiiTUKtrcto: utovi geb boilerio

Kampf! Niemandes Panzer, weder die mit Sternen noch die mit Kreuzen bemalt, würden ungehindert durch unsere Straßen spazierenfahren. Für uns gibt es keine andere Alternative solange wir ein Jugoslawien, solange wir ein sozialistisches Land, solange wir Titos Jugoslawien sind.

Wir wissen sehr wohl, daß unsere Gesellschaft nicht als eine ideale Gesellschaft bezeichnet werden kann. Aus unserer Feststellung, daß der demokratische Sozialismus in den gesellschaftlichen und die Reformen in den Wirtschaftsbeziehungen den einzigen von uns zu beschreitenden Weg darstellen, ist keineswegs der Schluß zu ziehen, daß wir dieses Weges halber alle Fehlschläge und Schwierigkeiten, die unvermeidbar oder durch unser Verschulden entstehen, rechtfertigen und dulden sollen.

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