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Blitze über Segnis Haupt

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In den vier Monaten seit seinem Bestehen hat das Kabinett Segni, dank auch der fast bedenkenlosen Unterstützung durch die relativ kleinen Gruppen der Liberalen, der neuerdings sich Demokratische Partei nennenden wiedervereinigten Monarchisten und der Neofaschisten, eine bisher unbekannte Stabilität erreicht, die den Wunsch' laut werden ließ, diese Einparteiregierung möge mit lediglich parlamentarischer Unterstützung durch die Rechte bis zum Ende der gegenwärtigen Legislaturperiode (1963) fortbestehen.

Auf dem rechten Flügel der Democrazia Christiana ist dieser Wunsch geradezu der Vater des Gedankens. Vor wenigen Tagen, am 27. Juni, scheute sich ein prominenter jüngerer Vertreter dieser Gruppe, Andreotti, innerhalb der Partei der Führer einer rechtsstehenden Gruppe, „Primavera"(„Frühling“), nicht, in einer öffentlichen Rede folgendes zu sagen: Die parlamentarische Rechte könne sich, schon wegen ihres schwachen Anhangs, niemals zu einer Gefahr für Volk und Staat auswachsen. Zur Schaffung stabiler Verhältnisse sei es deshalb geboten, zumindest bis zum Ende der jetzigen Legislatur die genannten drei Parteien vollverantwortlich in die Regierung aufzunehmen. Geschehe dies nicht, so sei kein dauernd geradliniger Regierungskurj gewährleistet. Besser sei es dann, bald zu Neuwahle n'zu schreiten. - Daß eine solche Aufnahme der Rechtsparteien in die chrištlich-demokratische Regierung eint Spaltung durch Abfall des Arbeiterflügels zui Folge haben könnte, das hat Andreotti wohi nicht bedacht; auch nicht, daß das letzte Mittel eben Neuwahlen, keineswegs1 eine günstiger« Konstellation der Parteien im Sinne der Festigung der demokratischen Institutionen zui Folge haben muß.

Zum Ueberfluß ist Andreotti Wehrminister im Kabinett Segni. Er glaubt sich auf sein« starke politische Stellung auf der Parteirechter berufen zu können; unter anderem gehört er zu .den schärfsten Gegnern des zurückgetretener langjährigen Parteiführers Fanfani. Seine Entgleisungen werden ihm von fast allen Partei- und Ministerköllegen schwer verdacht: Denn ei hat dj‘e trishep,’’atich nüF"scheinbar Vtiller Wässer ih seiner ėigeriėfi Partei';5 erst’ rdčht “abėi bei den Rechts- und Linksparteien, in stürmische Bewegung versetzt.

Noch etwas geschah — und das könnte bedenkliche Folgen haben. Der in diesem Jahi fällige Kongreß der Democrazia Cristiana. dei längst hätte stattfinden sollen, ist wegen de: noch nicht gesicherten Burgfriedens innerhall der einzelnen Parteiströmungen auf den 23. bi;

27. Oktober verschoben worden (in Florenz). Bis dahin gilt es vor allem, den starken linken Flügel, auf dem die Arbeitnehmer, und hier besonders die christlichen Gewerkschaften, stehen, nicht nur von der Notwendigkeit der parlamentarischen Stimmenhilfe der Rechtsparteien zu überzeugen, sondern auch den durch Tatsachen zu erhärtenden Beweis zu liefern, daß das Wirtschafts- und Sozialprogramm, wie es den Wählern vor den Mäiwahlen 1958 zur Durchführung anempfohlen worden war, ein gutes Stück vorangekommen ist.

Gerade in diesen Tagen waren die Provinzial- und Regionalleiter der Partei ganz Italiens in Rom. Deren Befragung ergab eine Stimmabgabe von 85 Prozent für schärfere Ausprägung des im Wählervotum vom Mai 1958 zum Ausdruck gekommenen Mitte-links-Kurses. In der langen Antwortrede des im allgemeinen sehr maßvollen Nachfolgers Fanfanis im Amt der politischen Parteiführung, Moro, berief sich dieser zwar auf die vom Ministerpräsidenten Segni bei der Vorstellung seines Kabinetts im Parlament betonte völlige Unabhängigkeit von Bindungen seiner Regierung an die Rechtsparteien, war aber offenkundig durch die unvorsichtigen, dem erwähnten Wählervotum widersprechenden Aeußerungen Andreottis erheblich gehemmt.

Wohl deshalb mündete seine Rede in eine Polemik mit seinem Parteifreund Andreotti und mit den Rechtsparteien. Diesen gab er eindeutig zu verstehen, daß die Männer der Democrazia Cristiana nur aus Not und Verantwortungsgefühl gehandelt hätten. „Unsere Partei kann sich nicht in die Opposition begeben. Denn die dann entstehende, weit klaffende Lücke würde von der Kommunistischen Partei ausgefüllt werden. Unsere Pflicht konnten wir tun, weil andere, eben die Rechtsparteien, uns diese Pflichterfüllung möglich machten. Aber es besteht eine scharfe Trennung zwischen unseren Initiativen und jenen, die uns mit ihren Stimmen helfen, in einem politischen Notstand dem Lande zu dienen."

Moro unterließ es bewußt, den Rechtsparteien ware, Anerkennung oder auch nur ein Wort dės Dankes zu sagen. Ja, er tadelte einige von ihnen, weil sie politische Ansprüche daraus herleiten zu können glaubten.

Die Reaktion ist bei allen drei Rechtsparteien scharf. Die nun begonnene Polemik kann bedeuten, daß die Rechte ihre Stimmenhilfe für den Weiterbestand der christlich-demokratischen Einparteiregierung zurückziehen möchte, was unmittelbar eine ernste Krise zur Folge haben würde.

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