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Nur eine Scheineinheit

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Der 12. Kongreß der Democrazia Cristiana auf dem Weltausstellungsgelände in Rom dürfte als Parteiversammlung der Scheineinheit in die Geschichte der italienischen Mehrheitspartei eingehen. Das von Fan-fani am Vorabend des Kongresses ausgearbeitete und mit den Unterschriften der Führer der sechs Parteiströmungen versehene Minimalprogramm wurde zwar von den 734 Delegierten einstimmig angenommen: die Ansprachen der Prominenten auf der „Bühne“ des Kongreßhauses und viele Reaktionen der Zuhörerschaft im „Parkett“ haben

aber deutlich ^gezeigt, daß diese Einheit voller Wenn und Aber ist.

Die Parteiversammlung ist entschlossen, die vor einem Jahr unterbrochene Zusammenarbeit mit den Linkssozialisten wieder aufzunehmen und damit das von Andreotti und Forlani geschmiedete Bündnis mit den Liberalen zu kündigen, doch hat für jeden Christdemokraten der sechs Parteiströmungen die projektierte Neuauflage des Centro-Sini-stra-Regierungskurses gleichsam ein andres Gesicht: für den Exponenten der Linksströmung Capuanni soll die neue Öffnung nach links, im Unterschied zu der alten, zwischen 1962 und 1971 praktizierten, „ein Experiment sein, das auf einen engen Kontakt mit den Instituionen, den Gewerkschaften und der Linksoppo-sition (lies: KPI) hinausgeht“. Enger Kontakt mit den Institutionen heißt Anwendung der Verfassung von 1947, soweit sie wegen all der weiterhin geltenden Gesetze aus der Faschistenzeit noch immer Buchstabe ist. Enger Kontakt mit den Gewerkschafen und der Linksopposition läuft auf eine Allianz mit der KPI hinaus, die einem Großteil der Linkssozialisten, aber nur wenigen Christdemokraten und überhaupt keinen Sozialdemokraten und Republikanern genehm ist. Der ehemalige Arbeitsminister Donat-Cattin warnte die Parteileitung vor einer bloßen Pro-forma-öffnung nach links, die nur darauf abzielte, die Kommunisten zu isolieren und die Linkssozialisten in Schach zu halten, ohne die erforderlichen Reformen durchzuführen.

Für weniger resolute Christdemokraten wie Colombo, Piccoli und Rumor, hängt die Durchführung der von allen als dringlich bezeichneten Sozialreformen nach wie vor von der Wirtschaftslage ab. Andreotti warnte vor der Illusion, daß die Verstärkung der parlamentarischen Mehrheit (die durch linkssozialistische Unterstützung erzielt werden kann), ausreichen könnte, um die jetzige Produktions- und Investitionskrise zu überwinden.

Hintertürchen offen

Hatte es zu Beginn des Kongresses den Anschein, die Democrazia Cri-stiana würde das italienische Staatsschiff mit offenen Segeln nach links

hinübersteuern, so sind seither derart viele andersartige Akzente gesetzt worden, daß der Ausgang der Wiederaufnahme des sogenannten Dialogs zwischen Katholiken und Sozialisten einmal mehr in Frage gestellt ist. Selbst Fanfani sah sich genötigt, der Partei wenigstens ein Hintertürchen offenzuhalten für das Gespräch mit den Liberalen. Andreotti und Forlani, die beiden großen Verbündeten des Zentrumskurses, stellen ihre Dienste jetzt schon für den Fall zur Verfügung,

daß die neue Linksöflnung abermals Schiffbruch erleidet und die Democrazia Cristiana wohl oder übel zu einer Koalition mit den Liberalen genötigt wird. Wer auf alle die Ovationen achtet, die Andreotti, noch mehr als Fanfani, zuteil wurden, kann sich leicht vorstellen, daß der Senatspräsident zwar der erste Sieger dieses 12. Kongresses der Democrazia Cristiana ist, der Ministerpräsident hingegen der zuletzt Lachende der Mammutparteiversammlung sein wird. Den größten Beifall

neben den Delegierten ernteten die Fußballer Riva und Cappello im Länderspiel Italien—Brasilien. Vor Beginn der sportlichen Veranstaltung betraten nur noch drittrangige Politiker das Podium des Kongreßgebäudes und schließlich wurden die wenigen noch verbliebenen Delegierten entlassen, damit sie den nationalen Zweikampf im Olimpico-Stadion von Rom oder wenigstens auf dem Bildschirm der Radiotele-vislone verfolgen konnten. Kein prominenter italienischer Politiker wagt es, selbst vor engagierten Politikern, in einem Parteikongreß zu sprechen, wenn Mazzola, Riva und Rivera am Ball sind, um die nationale Ehre zu verteidigen. Es wäre ein Affront gegenüber der Trikolore und diesen Helden des runden Leders und würde die Gefahr in sich schließen, daß selbst ein Fanfani kein volles Haus mehr hätte.

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