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Noch einmal über Wasser

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Viele Italiener wundern sich, weshalb Andreotti immer noch an der Spitze seines Zentrumskabinetts steht. Schon längs); schienen die Würfel für eine Neuauflage einer Links-Mitte-Regierung mit den Linkssozialisten gefallen zu sein; dennoch hat das aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen zusammengesetzte Kabinett in jüngster Zeit dreimal — allerdings äußerst knapp — das Vertrauen erhalten. Offensichtlich sind nicht alle linken Ohristdemokraten Andreotti in den Rücken gefallen; einige Parlamentarier haben es vorgezogen, die Zentrumsregierung noch einmal über Wasser zu halten. ^

In Rom mm gcitiunkeTt, da'ff'iJro-minente Vertreter des Heiligen Stuhles bei den linken Christdemokraten vorstellig geworden seien, um sie mit Blick auf die voraussichtlich im Mai 1974 stattfindende Völksbefragung über das Ehescheidungsgesetz bei der Stange zu halten. Die Auseinan-

Gesetz zu Fall zu bringen. Nach seiner Verabschiedung sammelte Professor Lombardi an der Spitze einer „Bewegung zum Schutz der Familienintegrität“ 1,3 Millionen Unterschriften, womit die Volksbefragung durch Referendum fast unumgänglich geworden war. Alle Versuche, die Ehescheidung als verfassungswidrige Einrichtung dem Referendum zu entziehen und, gestützt auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes, aus dem italienischen Zivilrecht zu verbannen, sind bisher gescheitert.

Jedermann kann sich an den Fingern abzählen, daß die Liberale Partei der Democrazia Cristiana in Sachen Ehescheidung nur geringeren Widerstand entgegensetzen wird als die siebenmal stärkere Linkssozialistische Partei, die auf der Liste ihrer Programmpunkte die Beibehaltung der Ehescheidung fast zu oberst vermerkt hat. Daß deshalb im Blick auf das Referendum die Liberalen für

die Christdemokraten bequemere Bündnispartner sind als die Linkssozialisten, versteht sich von selbst.

Gnade von rechts?

Seit Monaten schon klagen Kommunisten und Linkssozialisten Andreotti an, er stehe einer Regierung vor, die wegen der Präsenz der Liberalen einen konservativen Anstrich habe und auf die Gnade der Neo-faschisten angewiesen sei. Durch ein resolutes Vorgehen gegen rechtsextreme Terroristen verwahrt sich der Regierungschef gegen r.olche Vorwürfe. Zwei Vertreter einer neofaschistischen Schlägergruppe stehen jetzt unter der Anklage, den Tod des Polizisten Mario in Mailand auf dem Gewissen zu haben. Das Attentat von Linken gegen einen neofaschistischen Abgeordneten in Rom, bei dem zwei Söhne des Abgeordneten

starben, beschwört nun aber erneut die harte Konfrontation von Links und Rechts herauf.

Hingegen steht das nach zweijährigem erbittertem Kampf endlich verabschiedete Gesetz zum Schutz Venedigs dem jetzigen Kabinett als weiterer Pluspunkt zu Buch. An-

dreotti ist es gelungen, den .Widerstand der venezianischen Gemeinde-und der venetischen Regionalverwaltung zu brechen und die bereitgestellten 300 Milliarden Lire hauptsächlich in den Dienst der Rettung des weltberühmten historischen Zentrums zu stellen. Die benachbarten Industriezonen von Mestre und Marghera haben das Nachsehen und können sich bei Anwendung des Gesetzes nicht mehr auf Kosten und zum Schaden der alten Lagunenstadt entwickeln.

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