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Die letzte Runde

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Das Wesen der Parteitage hat sich seit der Jahrhundertwende ebenso gewandelt wie die Parteien selbst. Hauptakteure sind nicht mehr die Delegierten, sondern die Veranstalter. Resolutionen und Beschlüsse werden nicht in hitzigen Debatten erarbeitet, sondern, nach dem Muster des Parlaments, von Ausschüssen oder der Parteileitung vorbereitet und vom Parteitag ohne Aenderung bestätigt. In dieser Hinsicht gibt es keine Unterschiede zwischen Christlichen Demokraten, Sozialisten, sogenannten Freiheitlichen und Kommunisten. Schema F gilt ohne nationalen und weltanschaulichen Unterschied. Parteitage sind heutzutage nicht mehr Diskussionstage, sondern Gelegenheiten, die Stärke und Einheit der Partei zu demonstrieren. Kritik wird nur in den Couloirs und am Büfett geübt, ' ...v .

Trotzdem wäre es falsch, den in regelmäßigen Abständen stattfindenden Heerschauen der Parteien jegliche politische Bedeutung abzusprechen. Das gilt in besonderem Maße, wenn es sich, wie vor kurzem in Innsbruck, um eine Konferenz handelt, bei der die größte Partei des Landes, die nun schon seit 13 Jahren die Hauptverantwortung für das Schicksal Oesterreichs trägt, Stellung für die bedeutungsvolle Wahlschlacht im Jahre 1959 bezog.

Ob nun die österreichischen Wähler im Oktober des nächsten Jahres oder, ginge es nach den Wünschen einiger Funktionäre der Volkspartei, schon im Frühjahr mit dem Stimmzettel über die Zukunft der Heimat bestimmen werden — die entscheidende Bewährungsprobe der Volkspartei hat bereits mit dem Parteitag begonnen. Vier Ergebnisse der Beratungen in den Innsbrucker Stadtsälen scheinen den Start zu verbessern:

1. Der Parteitag der Volkspartei war nicht in erster Linie ein Parteitag gegen die SPOe oder gegen das neue sozialistische Parteiprogramm, sondern ein Parteitag für das eigene Programm. Die Erkenntnis, daß man dem Marxismus nicht mit Antimarxismus, sondern nur mit einer anderen, besseren Idee wirksam begegnen könnte, beginnt sich durchzusetzen.

2. Nachdem jahrelang fast ausschließlich wirtschaftliche Schlagworte die politische Auseinandersetzung bestimmt haben, rückte die Volkspartei auf ihrem letzten Parteitag den geistigen Unterbau stark in den Vordergrund. Für viele Delegierte mag es überraschend gewesen sein, daß sie ausgerechnet der Finanzminister, dem sein Amt größte Nüchternheit als oberstes Gebot-vorschreibt, durch ein hin-, reißendes philosophisches Grundsatzreferat in seinen Bann zog.

3. Obwohl die Volkspartei gerade in den Wochen vor dem Bundesparteitag manche heikle personelle Krisen durchzumachen hatte, litt die Einheit der Partei keinen Schaden.

4. Last, not least: Bundeskanzler Ing. Raab genießt auch weiterhin das uneingeschränkte Vertrauen seiner Partei. Nur sieben von den 349 stimmberechtigten Delegierten fanden es für notwendig, andere Parteifunktionäre für die Funktion des Bundesparteiobmannes vorzuschlagen. Julius, Raab, der Kanzler des Staatsvertrages, der Neutralität und des wirtschaftlichen Wiederaufstieges, soll 1959 ebenso wie 1956 die Volkspartei zum Erfolg führen.

Daß eine Partei am Beginn eines ohne Zweifel schweren Wahlganges die Führungsgarnitur nicht auswechselt und Gelegenheiten wie einen Bundesparteitag dazu nützt, ihre Geschlossenheit und ihre Siegeszuversicht zu demonstrieren, ist verständlich, ebenso der eindringliche Appell der führenden Funktionäre an die Delegierten, in solcher Stunde Einzelinteressen zurückzustellen, und auch dann, wenn sie persönlich anderer Meinung sein sollten, sich der Mehrheit unterzuordnen. Diese geforderte politische Selbstbescheidung hat freilich- auch ihre Nachteile. Sie ermöglicht es nämlich der Parteileitung, keines der heißen Eisen anfassen zu müssen. Die Folge:, vieles von de'm, was auf einem Parteitag eigentlich gesagt werden müßte, bleibt unausgesprochen.

Um auf den konkreten Fall, den Innsbrucker Parteitag der ersten Regierungspartei, zurückzukommen: Man bedauerte vor allem, daß eine Partei wie die Oesterreichische Volkspartei, die ja nicht nur die Wirtschaftsressorts verwaltet, sondern auch die Außenpolitik des Landes maßgeblich bestimmt, es nicht für notwendig fand, sich eingehender mit der gegenwärtigen, gewiß nicht erfreulichen internationalen Lage auseinanderzusetzen und zu den bewegenden Fragen unserer Tage als christlich-demokratische Partei des neutralen Oesterreich Stellung zu nehmen. Sollten — außer dem Bundeskanzler in der Schlußkundgebung — alle Redner dies wirklich nur vergessen haben? Oder wollte, man von einigen allgemeinen Redewendungen abgesehen, vielleicht bewußt nicht allzuviel davon reden? Ein paar klare, unmißverständliche Worte hätten gewiß nicht schaden können. Und wäre es nicht auch angebracht gewesen, daß die Volkspartei, für die, im Gegensatz zur SPOe, die österreichische Geschichte nicht erst mit dem Jahre 1918 beginnt, auf die Verpflichtung hingewiesen hätte, die Oesterreich auch heute noch für den Südosten Europas trägt? Wer könnte besser als die dem abendländischen Geist verpflichtete und traditionsbewußte Volkspartei realistische Vorschläge dafür zur Debatte stellen, trotz Eisernem Vorhang mit den slawischen Völkern wieder in Kontakt zu kommen? Der noch gar nicht so weit zurückliegende Appell Ing. Raabs' an die österreichische Jugend, sich auf ein Gespräch mit der Jugend “aus den heute kommunistischen Staaten vorzubereiten, fand nicht nur bei den Jugendlichen, sondern beim ganzen Parteitag kein lautstarkes Echo.

Den Katholiken freute es, feststellen zu können, daß sich alle Redner auf dem Parteitag zur Notwendigkeit bekannten, das öffentliche Leben wieder zu verchristlichen, um das Werk der letzten Jahre auf ein festes, dauerhaftes Fundament zu stellen.

Aber bei allem Verständnis für das Bestreben der Volkspartei, auch Wähler aus liberalen und nationalen Kreisen für sich zu gewinnen -eines fehlte doch auf dem Parteitag: eine deutlichere Abgrenzung nach rechts. Die Feststellung des Generalsekretärs Maleta: „Wir wenden uns auch an Menschen, die sich ehemals zu liberalen und nationalen Parteien bekannten, aber nicht an jene von der Geschichte widerlegten Weltanschauungen“, wurde viel zuwenig herausgestrichen und viel zuwenig beachtet.

Warum diese Feststellung? Weil die Volkspartei in ihrem eigenen Interesse und in dem des Landes schärfer darauf achten sollte, daß sich ihre Mitglieder aus ehemals liberalen und nationalen Parteien zu ihren, also den christlichen Grundsätzen und ihrer patriotischen Gesinnung bekennen, nicht jedoch versuchen, innerhalb der Volkspartei so etwas ähnliches wie seinerzeit in der „Vaterländischen Front“ die sogenannten ,.volkspolitischen Referate“ zu schaffen. Leider fand auch die Warnung des Sprechers der Oesterreichischen Jugendbewegung vor den allzu deutlichen Lebenszeichen ewig Gestri?er nicht die Beachtung, die sie verdient hätte. Die Zahl der Delegierten, die solche Feststellungen für „unangebracht“ fanden, ist nicht so groß, daß man auf sie zuviel Rücksicht nehmen müßte.

Das Resümee des Parteitages der Oesterreichischen Volkspartei ist trotz gewissen Einwendungen und nicht realisierten Erwartungen positiv. Mit Ing. Raab trägt auch weiterhin die Hauptverantwortung ein Mann, dem Oesterreich vertrauen kann, komme, was da wolle.

Die Besinnung auf die ideologische Basis des staatspolitischen und wirtschaftlichen Programms ist um so erfreulicher, als es sich um eine gute, um eine christliche Basis handelt.

Politik aus dem Geiste echten Christentums aber ist der sicherste Schutzwall gegen alle Versuche, Oesterreich seinem Wesen und seiner Tradition zu entfremden, egal, ob diese Versuche auf der linken oder auf der rechten Seite gestartet werden.

Wenn die Oesterreichische Volkspartei konsequent an dem Programm und an den Prinzipien festhält, denen sie sich auf dem Bundesparteitag in Innsbruck verpflichtet hat, kann sie der letzten Runde vor den nächsten Nationalratswahlen mit Ruhe entgegensehen.

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