6733120-1966_08_06.jpg
Digital In Arbeit

Zweierlei Opposition

Werbung
Werbung
Werbung

Scelba gilt als Exponent der Konservativen, und da er seinen Konservativismus seit jeher bekannt und konsequent verfolgt hat, dabei ein persönlich völlig integrer Mann ist, genießt er Ansehen selbst bei seinen politischen Feinden. Er mag einer Schar vagierender katholischer Inte- gralisten in der Partei als Kristal- lisationskem ihres „inneren Widerstands” gegen die Koalition gedient haben. Jene Integralisten, die, weil sie alles wollen, nichts erreichen können. Elemente, die wir nicht scheuen, als klerikal zu bezeichnen, wenn man darunter kurzsichtiges Vertreten angeblicher kirchlicher Interessen versteht. Nach dem Rücktritt Moros hat der vatikanische „Osser- vatore Romano” sie bei den Ohren genommen, jene Inspiratoren von Diözesanblättchen wie der Abgeordnete Michelangelo Dall’Armellina oder Toz2t Condivi. Auch Scelba selbst hatte zur Feder gegriffen und die Kampagne gegen das Gesetz am 16. Jänner in seinem Blatt „II Centro” maßgeblich unterstützt.

Bei der Gruppe Fanfarai liegen die Dinge weniger einfach. Fanfani, der unwillig als Außenminister in die Regierung Moro eingetreten war, hat den Sturz Moros sehr zielsicher betrieben. Von New York aus, wo ihn sein Amt als Vorsitzender der Vollversammlung der UN festihielt, versuchte er die Koalition zu sprengen. Er setzte sich deutlich von der offiziellen Außenpolitik der eigenen Regierung ab, die sich gegen die Aufnahme Chinas in die Organisation der Vereinten Nationen ausgesprochen hatte. Er wußte gut genug, daß die Sozialisten gegen ihre eigene Überzeugung dieser Position Italiens zugestimmt hatten und nur der disziplinierten Unterwerfung unter den Mehrheitswillen halber. Daß nun ein Christdemokrat, der Außenminister selbst, in einer Wochenzeitung gegen den Mehrheitswillen und für die Position auftrat, auf die sie selbst verzichtet hatten, mußte die Sozialisten vor den eigenen Parteiangehörigen bloßstellen und der kommunistischen Propaganda Vorachub leisten.

Es kam dann der Rücktritt unter den bekannten bizarrąn Umständen, und es kam die offene Kampfansage an Moro in einer öffentlichen Rede. Fanfani stellte sich auf den Standpunkt, daß jede Strömung in der Partei auch in der Regierung vertreten sein müsse, um ihre Einheit zu sichern und entsprechend der Auffassung, daß die DC eine föderative Struktur habe. Andernfalls würde es zur Krise kommen, und das Wort werde dann der Wählerschaft zukommen. Noch glaubte Aldo Moro, es mit einer einfachen Kabinettsumbildung sein Bewenden lassen zu können. Er hat Fanfanis Drohung jedenfalls nicht aufgegriffen. Drei Tage später begab er sich in den Quirinalpalast, um dem Staatspräsidenten den Rücktritt seiner Regierung zu melden.

Ohne diese lange, umständliche und teilweise allgemein bekannte Vorgeschichte ist der weitere unglaubliche Ablauf der Krise nicht zu verstehen. Die Dinge ließen sich zunächst gut an. Der Staatspräsident brachte die vorgeschriebenen Konsultierungen so rasch hinter sich wie keiner seiner Vorgänger. Die Parteigremien traten zusammen, und es stellte sich heraus, daß man sich über das Programm, das Programm der zweiten Regierung Moro, durchaus einig war. Man war es auch in bezug auf die Person des Ministerpräsidenten: alle Koalitionspartner schlugen Aldo Moro als Regierungschef vor. Die Verhandlungen kamen ins Stocken, als die Sozialisten und mit ihnen die Sozialdemokraten und Republikaner „global” verhandeln wollten. Die künftige Regierung sollte, um die Realisierung des Reformprogrammes zu garantieren, wie aus einem Guß sein, sich aus Männern zusammenzusetzen, deren Progressismus anerkannt und witterungsfest ist. Das stand aber im Gegensatz zu der Auflage, die Moro seitens der christlichdemokratischen Parteidirektion erhalten hatte: im Kabinett müßten alle Strömungen in der DC vertreten sein, auch Scelba und Fanfani. Gegen beide, gegen Scelba mehr als gegen Fanfani, legten die Linksparteien ihr Veto ein. Moro sah keine Möglichkeit, wie er die Widerstände auf der einen wie auf der anderen Seite überwinden könne; er begab sich ein zweitesmal zum Staatspräsidenten, diesmal um seinen endgültigen Verzicht zu erklären.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung