6778855-1969_33_14.jpg
Digital In Arbeit

Krawatten elegant geknotet

Werbung
Werbung
Werbung

Herr Ignaz Franz Castelli war der vollendete Biedermeiermensch. Er lebte ganz nach den Gesetzen des Gemütes, dichtete brav und zahm, wie die Zensur es befahl, sammelte Schnupftabaksdosen und setzte mit der Gründung des Tierschutzvereines seinen Idealismus und seine Weltliebe in die Tat um. Ehre seinem Angedenken, Ehre dem trefflichen Memoirenschreiber, Andersen war ihm freundschaftlich verbunden. Castellis Porträt findet man in der Ausstellung „Wien 1800 bis 1850, Empire und Biedermeier“, die bis zum Oktober im Historischen Museum der Stadt Wien zu sehen ist. In enger Nachbarschaft mit dem Bildnis der Caroline Pichler, auch sie eine archetypische Persönlichkeit ihrer Zeit. Die grundgescheite Dame von theresianischem Wesen häkelte, strickte und stickte Geist. Sie subli-mierte das Plauscherl zur schönen Kunst, von ihren Lebenserinnerungen nährten sich schon ganze Generationen kulturhistorischer Wiener Fpuilletonisten mehr oder weniger redlich.

Man nehme sich Zeit, all die Dosenstücke und Gustostückerln voll Muße zu betrachten. Da gilt es zum Beispiel gleich,* zwei unbekannte Kleinmeister zu entdecken: Georg Emanuel Opitz, der mit seinen köstlich karikierenden und penibel gemalten Volksszenen eigentlich ein bodenständiger, gar nicht so weitschichtiger Vetter von William Ho-garth war, und Joseph Ziegler, der sich in seiner skurrilen Beschaulichkeit getrost als ein künstlerischer Ahnherr Albert Paris Güterslohs ausweisen darf.

Die ganze dargestellte Kulturepoche entfaltet sich wie ein mit Rosengirlanden verzierter Fächer. Eine Zeit, welche die Vitrine für gefällig arrangierte Kostbarkeiten ebenso liebte wie das Album, die Vedute und die Miniature. Eine Welt aus Edelhölzern, Glasschliff und gedämpftem Sonnenlicht hinter grünen Jalousien. Das Lebens'pefühl hat den Schimmer perlmutterner Einlegearbeiten. Solidität und Entwicklung zu individuellen Höchstleistungen kennzeichnen das Handwerk. Daß Porzellan-

kenner und -liebhaber in dieser Ausstellung auf ihre Rechnung kommen, versteht sich bei dem Thema von selbst. Besonderer Geheimtip: die mit Milieu angereicherten Darstellungen der Interieurs, vom feudalen Arbeitszimmer des Fürsten Metternich bis zum Lavendelaroma bürgerlicher Damensalons. Wie virtuos man amno Gunkl Krawattenknoten, Halsbinden auf das Variabelste schürzen, verkröpfen und bauschen konnte, mit Kunstgriffen Schleifen raffiniert zu raffen wußte, dies zeigt ein Musterblatt für Dandys, und man hört förmlich den schwarzen Taft rascheln. Als ergänzende Teilausstellung gibt es draußen in Schloß Hetzendorf eine retrospektive Modeschau ohne Mannequins. Die unifarbenen, gestreiften, karierten und türkisch gemusterten Kleider, die man aus der Wiener Biedermeiermalerei kennt, die Modesammlung des Historischen Museums hat sie in natura, Phan-tasmagorien der Geschmackskunst. Dazu die romantischesten Herrenwesten und die elegantesten Spazierstöcke, wer bringt solche Sna-zierstöcke wieder en vogue? Der Clou: Eine weißeoldene Empire-balltoilette im Goldkabinett, als festliches Solo. Und gleichsam als Illustration zum Titel einer Nestroy-Posse: „Die Millionen und die Näh-terin.“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung