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Bürgerinitiative Umweltpartei

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Seit etwa einem Jahrzehnt mischen Bürgerinitiativen erfolgreich im politischen Geschehen mit. Das vielerorts und aus unterschiedlichen Anläßen entstandene und seitdem stets gewachsene Umweltbewußtsein hat aus den punktuellen Bürgerinitiativen eine umfassende Bewegung gemacht.

Bürgerinitiative und Umweltbewegung sind nicht fest definierbare Begriffe, was auch ihrem Wesen durchaus entspricht, handelt es sich doch zumeist um spontan entstandene, oftmals zeitlich begrenzte und organisatorisch lok- kere Zusammenschlüsse von Bürgern. Sie melden sich außerhalb der traditionellen Institutionen und Beteiligungsformen der repräsentativen Demokratie aus konkretem Anlaß als unmittelbar Betroffene zu Wort und bemühen sich um eine Abhilfe im Sinne ihres Anliegens (S. 18 f).

Bürgerinitiativen treten a priori nicht als Systemzerstörer auf, sie wollen nur eine neue Politik. Sie sind skeptisch gegenüber technischen Sachzwängen, mißtrauisch gegenüber der Planungseuphorie und der Wissenschaftsgläubigkeit.

Es erscheint nur vordergründig als Kuriosum, wenn Bürgerinitiativen im Grunde ihres Herzens eigentlich konservativ sind. Gerade aus dieser latenten Konservativität der Bürgerinitiativen und dem Wissen aus Soziologie und Sozialforschung zieht der Autor seinen ersten wesentlichen Schluß.

Bürgerinitiativen entstehen oftmals als Ausdruck des Unbehagens und der Unfähigkeit noch weitere emotionale und affekte Belastungen auf sich zu nehmen. Zu groß, zu häufig und zu unüberschaubar sind die Umwälzungen geworden, denen sich der Mensch täglich gegenüber sieht. Er lebt heute in einer Welt, die mehr und mehr einer Bau stelle gleicht, aus der Bagger und Kräne nie mehr verschwinden (S. 43).

Sich mit seiner Umwelt zu identifizieren, zu ihr eine Beziehung aufzubauen, sich wohlzufühlen, ist bei so raschem Wandel der Umweltgegebenheiten einfach nicht mehr möglich. Unter diesen Umständen hat das Argument des Fortschritts und des Wachstums keine Geltung mehr. Vorhaben müssen am Maßstab der menschlichen Bedürfnisse gemessen werden und sind von Fall zu Falt rechenschaftspflichtig.

Eine weitere Begründung für das Entstehen der Umweltbewegung liegt in der heute bereits als krankhaft zu bezeichnenden Stabilität der Parteienstruktur. Warum? Die klassischen Parteien, aufgrund eines aktuellen Anlasses entstanden, haben im Laufe ihres Bestehens versucht, möglichst viele Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens für sich zu gewinnen.

Entsprechend diesem Zuwachs betreuter Themen und Bevölkerungsteile ist die Konkretheit politischer Aussagen und Programme rasch gesunken. Dies hat dazu geführt, daß die partei- und staatspolitische Handlungsfähigkeit oftmals nur noch zum Nichtentscheiden reicht.

Dem gegenüber könnte eine Umweltpartei, die als Partei der „reinen Toren“ aufgrund des neuen Umweltverständnisses entstanden ist, und die die Vertretung der Minderheiten auf ihre Fahnen heftet, sehr wohl mehrheitsfähig werden. Wie alle Parteien, steht auch ihr das gesamte gesellschaftlich-politische Themenspektrum als bearbeitbares Aufgabengebiet zur Verfügung, haben sich doch die Bürgerbewegungen bis dato vorwiegend nur durch die angestrebte Verhinderung der Kernenergie und Beteiligung an kom munalpolitischen Vorhaben intensiv bekanntgemacht.

Für eine ökologisch fundierte Politik kann nur eintreten, wer bereit ist, sich gegen etablierte ökonomische Interessengruppen zu stellen. Umweltinteressen stehen in einem konfliktträchtigen Widerspruch zu ökonomischen Interessen.

Die neue Politik bzw. die neue Partei mit ihren wohltuend frei formulierten Grundsätzen und Entscheidungen und ihrem Angewiesensein auf aktive Bürger und freiwillige Mitarbeiter, kann für das Parteiensystem und damit für die Produkte politischen Handelns nur von Vorteil sein.

Wenn freilich „regieren“ als reibungsloses Funktionieren und reines Verfügen sozialtechnischer Anordnungen verstanden wird, wenn der Bezug auf den Menschen von der technischen Dimension verdrängt wird, dann wird Kritik, Beteiligung und Mitsprachebe- gehren zu einem bestandsbedrohenden Faktor für die offizielle Politik.

Dann zieht sie sich (am Beispiel Wien zu sehen) in eine Abwehrhaltung zurück und gibt sich womöglich durch die Feststellung, man sei selbst die größte Bürgerinitiative, der Lächerlichkeit preis.

Guggenberger hat eine faszinierende Darstellung eines neuen Elementes der Politik mit Erfolg versucht. Diese Studie sollte gerade den Politikern der Umweltbewegung und jenen, die noch immer, wenn auch schlechten Gewissens, ihre Augen vor Alternativen verschließen, nachdrücklich ans Herz gelegt werden.

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