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Die Nerven der Kinder
Jahr des Kindes“ gab es vergangene Woche eine Reihe von Veranstaltungen. Vom Festakt der Bundesregierung und einer Pressekonferenz von Staatssekretärin Elfriede Karl bis hin zum „Club 2“, wo prominente Persönlichkeiten die Ursachen des alarmierenden Ansteigens von Selbstmorden bei Kindern und Jugendlichen aufzeigten und pädagogisch richtige und damit vorbeugende Verhaltensweisen in Familie, Schule und Klassengemeinschaft diskutierten.
Am selben Tag fand im Wiener Rathaus eine Enquete über die neuropsychiatrische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Österreich statt. Auch in diesem Bereich schockierende Zahlen: Rund 10.000 neue Ambulanzpatienten pro Jahr werden in Wien auf Grund bisheriger Schätzungen erwartet. Dem ist das
gewachsen.
Der Vorstand der Universitätsklinik für Neuropsychiatrie des Kindes-und Jugendalters, Univ.-Prof. Walter Spiel, sprach von der „unzureichenden Struktur der Gesamtversorgung“ vor allem bei Langzeitunterbringung von 12- bis 18jährigen und im Bereich der ambulanten Betreuung. Gerade die Nachbehandlung von psychisch erkrankten und die Behandlung zahlreicher verhaltensgestörter Kinder müsse ausgebaut werden, zumal lediglich 15 Prozent der Patienten stationär zu behandeln seien.
Neben der Installierung von halbstationären Behandlungseinheiten -die als Zwischenstationen auf dem Weg vom Spital bis zur Reintegration in die Familie dienen sollen - ist an ein regionalisiertes Netz ambulanter Teams gedacht, bestehend aus Psy-
ter.
Gefordert wurde weiters die Anhe-bung des Betreuungshöchstalters von derzeit 15 auf das 19. Lebensjahr, da diese Altersgruppe bisher in der Praxis von der Erwachsenenpsychiatrie mitbetreut wurde.
Oft stellt der Kinderpsychiater die wichtigste Bezugsperson für den Heranwachsenden dar; wird nun dem kranken Kind diese Person abrupt, mit Erreichung des 15. Lebensjahres, genommen, kann dies zu folgenschweren seelischen Belastungen führen.
Als erster Schritt in diese Richtung wäre eine Ubergangslösung mit der Krankenversicherung anzustreben. Das Honorar für Kinderpsychiater werde nämlich ausschließlich für Patienten bis zum 15. Lebenjahr bezahlt, wurde argumentiert.
Die Wiener ÖVP-Stadträtin Ger-trude Kubiena, mit Gesundheitsfragen befaßt, plädierte zu wiederholten Malen für die Dezentralisierung der Psychiatrie auf die geplanten vier Schwerpunktkrankenhäuser im Raum Wien. In jedem dieser Spitäler wäre eine Nervenabteilung einzurichten, insbesondere für Jugendliche, die wegen eines Selbstmordversuches eingeliefert werden. Es sei außerordentlich bedenklich, zutiefst sensible Menschen der Schockwirkung einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt auszuliefern.
In diesem Sinne könnte eine Annäherung an die Vorstellungen des weltweit bekannten italienischen Psychiaters Franco Basaglia Fortschritte bringen. Sein Modell der offenen Psychiatrie wurde 1978 in Italien gesetzlich verankert. Dies erscheint begrüßenswert und durchaus geeignet, behutsam in Angriff genommen zu werden.
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