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Festungen im Vorfeld

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Jede der österreichischen Parteien hat so etwas wie Festungen im politischen Vorfeld: die OeVP die Kammern der gewerblichen Wirtschaft und die bäuerlichen Genossenschaften, die FPOe freie Unternehmerverbände und gewisse gewerkschaftsähnliche Organisationen und die KPOe eine Reihe von Tarnorganisationen.

Auch die SPOe besitzt im politischen Vorfeld gewichtige und ihr weitgehend sichere, fast uneinnehmbar scheinende Festungen, Institutionen, die nicht offen als sozialistisch etikettiert sind, wohl aber mehr oder weniger, sei es in Wort, sei es in der Tat, der SPOe dienstbar sind. Wie die anderen Vorfeldorganisationen werden auch die der SPOe dienstbaren Institutionen des Vorfeldes zwar nicht als unpolitisch, wohl aber als überparteilich geführt und sind nicht allein von Sozialisten, sondern auch von Nichtsozi'alisten getragen und finanziert.

Die tatsächliche Macht in der Politik liegt in den Demokratien weithin nicht mehr bei den Parteien selbst, sondern bei den Interessentengruppen. Dabei hat sich so etwas wie ein Pluralismus herausgebildet, ein Machtgleichgewicht von scheinbar oder tatsächlich einander entgegengesetzten, gesetzlich fundierten oder freiwilligen Verbänden und Einrichtungen, die einander aber bereits wie Spielpartner benötigen. Auf diese Weise ist es zu einer erstaunlichen Duldung der jeweiligen „Klassenfeinde“ gekommen, deren Bestehen erst die Existenz der Demokratie und ein Leben in Freiheit sichert. Dazu kommt, daß sich die Interessentengruppen, deren Führer oft behaupten, daß sie in einem „unversöhnlichen Gegensatz“ zu den Führern der anderen Organisationen stehen, in ihren politischen und sozial belangreichen Handlungen immer ähnlicher werden, eigentlich ein tröstlicher Ausblick, der nicht mehr das Heraufkommen von Konfliktsituationen befürchten läßt, wie sie für die Zeit vor 193 3 kennzeichnend waren. So sind die beiden gesellschaftlichen Großgruppen, die ohnedies hüben wie drüben überwiegend von sachverständigen Angestellten geführt werden, für gewisse kollek tivistische Formen, sie sind aber auch wieder für eine Behinderung des Uebergreifens des Kollektivismus in die Intimsphären. Die Unterschiede liegen eigentlich nur noch in der mehr oder minder großen Intensität, mit der Maßnahmen durchgeführt werden.

Die Vorfeldorganisationen haben nicht allein die Aufgabe, verdeckt die Geschäfte von Parteien zu besorgen, sondern sind, da in neutraler Verpackung, auch besser geeignet, einzelne unpopuläre Entscheidungen auszuführen. Man denke, wie es gewesen wäre, wenn etwa die Lohn-Preis-Abkommen allein' von den Parteien und nicht auch von den Kammern abgemacht worden wären, deren Vertreter weniger Befangenheit aufweisen und nicht so sehr von wahltaktischen Erwägungen bestimmt sind. Jedenfalls hat die Uebernahme eines Teiles der politischen Arbeit durch Interessenverbände in die Politik ein großes Stück Objektivität gebracht.

Als die wichtigsten Organisationen bzw. Institutionen, die faktisch ein Teil der SPOe sind, müssen in Oesterreich der Gewerkschaftsbund, die Arbeiterkammer, die Konsumgenossenschaften und die Arbeiterbank bezeichnet werden.

Auch die Krankenkassen sind Teil des SPOe- Apparates. Ein Beispiel: Bei 200 Angestellte wurden in Kärnten in die Gebietskrankenkasse aufgenommen, davon ein einziger aus der christlichen Arbeitnehmerbewegung.

Den genannten Institutionen ist gemeinsam, daß sie fast durchweg von Sozialisten geführt werden, daß sie sich aber anderseits, vor allem in Fragen der Wirtschaftsführung, oft in einem beträchtlichen Umfang von sozialistischen Gedankengängen entfernt haben, wie etwa die Genossenschaften, die kaum von einem Unternehmen, das sich mit dem Betrieb von Massen- filialgeschäften befaßt, zu unterscheiden sind, wenn man nicht davon ausgehen will, daß die Massenfilialgeschäfte bereits faktisch dem Bereich sozialistischer Wirtschaftsorganisation zuzurechnen sind.

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