6829289-1974_29_07.jpg
Digital In Arbeit

Gott Thors Niederlage

Werbung
Werbung
Werbung

Die stark links orientierte liberale Venstre, deren Austritt aus der Regierung Olafur Johannessons diese in die Minderheit versetzte und vorzeitige Neuwahlen erzwang, hat allen Grund, ihre überstürzte Handlungsweise zu bereuen, denn die Partei fiel von 10 Prozent Wählerstim' men auf 4,7 Prozent zurück una konnte mit Mühe und Not zwei Mandate erobern. Die Siegerin der Wahl ist dagegen die konservative „Selbständigkeitspartei“ unter Geir Hall-grimsson, die 42,8 Prozent der Wählerschaft für sich gewinnen konnte und mit 25 Sitzen im Alltinget (früher 22) nun die klar dominierende Partei ist, die von Präsident Kristian Eldjarn mit der Regierungsbildung beauftragt werden muß.

In dieser Wahl ging es vor allem um zwei Dinge: um den Kampf gegen die immer rascher galoppierend? Inflation und um die Demontage de? amerikanischen Stützpunktes Kefla-vik. Es gibt kaum einen Isländer, der nicht einen Abzug der Amerikaner wünschen würde, die konservative Selbständigkeitspartei ist jedoch für die Beibehaltung der Mitgliedschaft in der NATO, was notgedrur gen zu einer fortgesetzten Präsens; der Amerikaner auf Island führen muß, wenn auch in noch unauffälligeren Formen als bisher. Die Konservativen können auch kaum ungeschehen machen, daß die Regierung Johannesson volle drei Jahre lang mit den Amerikanern über deren künftigen Abzug verhandelt hat und daß es im Grunde genommen gar nicht mehr darum ging, ob, sondern wann und unter welchen Formen der nordatlantische Vorposten der USA-Streitmacht seine Basis auf Island räumen werde. Der letzte Vorschlag Johannessons sah die Räumung bis Mitte des Jahres 1976 vor, auf seine Beantwortung hat die links-liberale Regierung allerdings vergeblich gewartet.

Haben die Konservativen mehr Verständnis für die Wünsche der NATO-Militärs, so können sie sich doch nicht schroff gerade in dieser emotionell so heiklen Frage geger die Mehrheit ihrer Mitbürger wenden. Eine konsequent pro-amerika-nische Linie könnte nur zu ein<r weiteren Stärkung der kommunistischen „Volksallianz“ führen, die sich nun in der Rolle der parlamentarischen Opposition üben kann, obwohl sie in der Wahl ihre früheren Mandate gerettet hat. Zu den klarer. Verlierern gehört dagegen jene kleine Gruppe von Alt-Isländern, die dem vollständigen Bruch mit der Mächten und Einflüssen sowohl der Alten wie auch der Neuen Welt und einer Rückkehr zu den alten Göt tern Thor und Freya das Wort redeten. So stark der Konservatismus und das nationale Selbstbewußtsein auf Island auch sein mögen — zur Abkehr vom Christentum und zur Wiedereinsetzung Thors als höchste geistliche Instanz will man sich doch nicht entschließen!

Neben dem auf Island überaus ernst genommenen Problem der Befreiung von einer fremden Militärgruppe spielt der Kampf gegen den Wertverfall der Währung die Hauptrolle. Die Inflationsrate hat in den letzten zwölf Monaten ganze 40 Prozent erreicht. Die Vulkankatastrophe auf den Vestmanna-Inseln und die Streitigkeiten über die Fischereigrenze haben zu schweren wirtschaftlichen Verlusten geführt Obwohl die 50-Meilen-Zone noch lange nicht anerkannt ist, spricht man in Reykjavik bereits davon, daß eine Hinausschiebung dieser Grenze auf 200 Seemeilen (etwa 320 km) vom Land unerläßlich sei, wenn die wirtschaftliche Existenz des Inselstaates gesichert sein solle. Wer die schweren Auseinandersetzungen mit Großbritannien wegen dieser Grenze in Erinnerung hat, der weiß, was da noch bevorsteht!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung