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Großer ORF-Topf
Als ORF-Generalintendant Bacher bei der Eröffnung eines Senders ebenso deutlich wie unverbindlich davon sprach, daß bestimmte Zusammenhänge zwischen Gebotenem und Preis auch für den österreichischen Rundfunk Geltung haben müßten, begann das große Rätselraten: die Äußerungen des Generalintendanten waren ein unmißverständlicher Vorstoß in Richtung auf eine Rundfunkgebührenerhöhung.
Als ORF-Generalintendant Bacher bei der Eröffnung eines Senders ebenso deutlich wie unverbindlich davon sprach, daß bestimmte Zusammenhänge zwischen Gebotenem und Preis auch für den österreichischen Rundfunk Geltung haben müßten, begann das große Rätselraten: die Äußerungen des Generalintendanten waren ein unmißverständlicher Vorstoß in Richtung auf eine Rundfunkgebührenerhöhung.
In einem Gespräch mit der „Furche“ hat der kaufmännische Direktor des österreichischen Rundfunks, Helmut Lenhardt, immerhin angekündigt, daß mit Jahresende ein umfangreiches Papier aus der Argentinierstraße auf den Tischen der Aufsichtsratsmitglieder des ORF liegen wird. Es wird sich vor allem mit verschiedenen Alternativen, eine „Gebührenreform“ betreffend, beschäftigen.
Harter Kern der Angelegenheit; Das österreichische Fernsehen ist heute noch ein Betrieb, der Überschüsse abwirft, der Hörfunk Ist hingegen passiv, obwohl die Aktion „Schwarze Antenne“ für das Jahr 1971 rund 37 Millionen Schilling erbrachte (Reingewinn: 33 Millionen).
Die „Schwarze Antenne“ konnte allerdings nichts daran ändern, daß der Hörfunk ein Defizitbetrieb ist und immer größere Defizite erbringt. Direktor Lenhardt erinnert daran, daß der Rundfunk 1967 statt der verlangten Hörergebühr von
23 Schilling nur 20 Schilling zugestanden erhielt (netto 18 Schilling, da zwei der Post verbleiben). Bereits ein Jahr nach dieser Gebührenerhöhung hatte der Hörfunk keinen Überschuß mehr, 1969 schon ein Defizit von 20 Millionen, das 1970 vermutlich bei 35 Millionen liegen wird und 1971 die Höhe von 50 Millionen Schilling erreichen dürfte.
Die drei Schilling Differenz zwischen den geforderten 23 und den zu- gestandenen 20 Schilling machen, Lenhardt zufolge, 60 bis 65 Millionen Schilling pro Jahr weniger für den ORF aus. Der Abgang wird derzeit aus den Überschüssen des Fernsehens gedeckt, doch zeigt man sich in der Argentinierstraße nicht beglückt davon, daß das Hörfunkprogramm aus dem Fernsehprogrammentgelt subventioniert werden muß: „Die Fernseher sollen schließlich den Gegenwert dessen, was sie bezahlen, auch in Form von Programmen bekommen!“
Erwogen wird, unter anderem, die Einhebung einer Grundgebühr für die Leistungen von Hörfunk und Fernsehen, die solo jedoch nur zum Hören berechtigt. Wer fernsehen will, muß auf jeden Fall, ob er nun ein Radiogerät hat oder nicht, die einstige Hörgebühr als Grundgebühr bezahlen.
Eine andere Möglichkeit, dem ORF neue Mittel zuzuführen, wäre eine Kapitalerhöhung. Das Stammkapital von 115 Millionen Schilling gehört
zu 99VJ Prozent dem Bund, obwohl den Ländern gesetzlich die Möglichkeit zusteht, 49 Prozent des Stammkapitals zu besitzen. Würden sie von dieser Möglichkeit in Form einer Kapitalerhöhung Gebrauch machen, könnte das Stammkapital des österreichischen Rundfunks naheziu verdoppelt werden. Man ist im ORF realistisch und erwartet sich einen solchen Batzen Geld nicht auf einen Schlag, gibt aber zu verstehen, daß 1972 immerhin vier neue Funkhäuser (Länderstudios) eröffnet werden.
Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich die stets so naheliegende Erhöhung der Werbetarife — die Werbeeinnahmen machen rund ein Drittel der Gesamteinnahmen aus. Im Fernsehen sind die gesetzlich zugestandenen Werbezeiten total, im Hörfunk zu etwa 85 bis 90 Prozent ausgebucht.
Die wichtigste Frage, die Aufsichtsrat und Gesetzgeber dann zu entscheiden haben werden, dürfte sich auf die Alternative zuspitzen, ob eine strikte Trennung von Femseh- und Hörfunkkosten bevorzugt werden ober ob man sich für das Prinzip des „großen Topfes“ entscheiden soll.
Geschehen, so Helmut Lenhardt, muß etwas, und man hat sich auch bereits „nach der Rechtssituation erkundigt“, ohne allerdings in Verhandlungen einzutreten. Faktum ist, daß das Fernsehen noch immer einen „nicht unerheblichen“ Uberschuß erbringt, daß der ORF, wirft man Hörfunk und TV in einen Topf, aber schon heuer nicht mehr in der Lage sein dürfte, Betriebsüberschüsse für vorzeitige Abschreibungen freizumachen. Bereits 1972 wird es im laufenden Betrieb ein Defizit geben, das in der Größenordnung von vielleicht 50 Millionen liegen könnte.
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