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Krone der Schröpfung

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Die Diskrepanz zwischen Lohn und Preis trifft uns Männer um so ärger, als es ja bekanntlich nicht gut ist, daß der Mensch allein sei, weil er sonst nicht nur in schlechte Gesellschaft, sondern auch in eine höhere Steuerklasse gerät.

Und so sucht sich denn das volljährige maskuline Individuum — dem Trieb gehorchend und der eigenen Not — eine liebende Gattin, die seine Haushaltungssorgen vereinfacht, seine Freuden verdoppelt und seine Spesen verdreifacht.

Es gibt aber auch unentwegte Einzelgänger, für die ein fallweise auswechselbares Glamour-Girl zur Krone der Schröpfung wird.

Seitdem ungalante Statistiker eine Viertelmillion Wienerinnen als „überschüssig“ bezeichnet haben, hat man ja wenigstens theoretisch die Auswahl unter den Töchtern des Landes. Thronprä-tendentinnen finden sich in Hülle und Fülle in den zur Zeit so häufig statthabenden Schönheitskonkurrenzen, wobei die Hülle modern und die Fülle unmodern ist.

Mutige anmutige Anwärterin-nen machen mit möglichst süßem Lächeln und möglichst viel bitterem Reis ihre Knixe vor dem Preisrichterkollegium, das dann eine von ihnen zur Miß Austria und einige andere zu Mies Austrias ernennt. Siegerinnen grüßen, Tränen fließen, und an einer allfälligen Niederlage trägt eigentlich niemand die Schuld als Stiefmutter Natur, die ihre Gaben nicht objektiv genug verteilt. Die eine Miß ist ebenmäßig gebaut, die andere ist eben mäßig gebaut.

Natürlich sind im allgemeinen Konkurrenzen vorzuziehen, bei denen es weniger auf das Äußere als auf das Innere, weniger auf die Schönheit als auf das Können ankommt. Zum Beispiel kommt die Wiener Küche in der Ruhmesskala ja gleich nach der Wiener Musik, die aber für ihre Ausübenden leider lange nicht so nahrhaft ist.

Musik erzeugt Zärtlichkeit,

Liebe geht durch den Magen. Kochkunst schafft Liebesgunst, bis man sich an beiden den Magen verdirbt.

Wir sind durch unverdauliche Zustände bei der Verehrung des Verdaulichen angelangt, und nicht umsonst identifizieren wir unser Heim mit dem häuslichen Herd, worunter wir einen Ort verstehen, wo man beruhigt Fleischlaberl essen kann, ohne sich über deren Inhalt Sorgen machen zu müssen.

Und da wir schon bei den Genußmitteln halten: Vor mehreren hundert Jahren kam die Tabakpflanze von Amerika nach Österreich. Anfangs als ärgstes Laster verrufen, führte sie uns später in die kultiviertesten Höhen der Nikotinvergiftung, um noch später staatlich sanktioniert und monopolisiert zu werden. Und so erwies sich denn der angebliche Streich gegen unsere Gesundheit als glücklicher Streich, ein Lucky strike.

Heute ist der Tabakqualm aus keinem geselligen Zusammenkunftsort wegzudenken, und man schätzt seinen Nebenmenschen danach ein, ob er eine Havanna oder irgendeinen Nikotineff raucht.

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