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Was kommt nach dem Wohlfahrtsstaat?
Was kommt nach dem Wohlfahrtsstaat? Der sozialistische Programmentwurf gibt die Antwort gleich selbst. Da nämlich der „Wohlfahrtsstaat durch die Krisenanfälligkeit der Marktwirtschaft” bedroht ist, muß aus ihm die „soziale Demokratie” hervorgehen. Dieser Wunsch nach der Erreichung der sozialen Demokratie durchzieht den gesamten Programmentwurf und ist zugleich symptomatisch für die zahlreich auftauchenden Leerformeln, denn was heißt im Grunde „soziale Demokratie”?: Gesellschaftliche
Herrschaft des Volkes?
Andere Behauptungen sind wiederum nahezu unverfroren, so etwa der Anspruch, daß die Sozialisten in Österreich „den Wohlfahrtsstaat geschaffen haben” oder daß der Sozialismus in Österreich allein Garant für die „Demokratisierung aller Bereiche” sei.
In anderen Passagen wiederum wird der Widerstreit zwischen rechtem und linkem Parteiflügel in der SPÖ offenbar und es finden sich daher häufig schwammige, inhaltsleere Aussagen, auch handfeste Widersprüche. Etwa im Kapitel „Mitbestimmung”. Wenn nämlich die SPÖ schon die „Demokratisierung aller Bereiche” fordert, dann gilt dies selbstverständlich vordringlich für die Wirtschaft.
In einem Kapitel des Programmentwurfes findet sich auch die Mitbestimmung am Arbeitsplatz, „daß Arbeit als Entfaltungsbereich des Menschen erlebt werden kann”, doch wenig später wird klar, daß damit nicht die Eigenbestimmung des einzelnen, mündigen Staatsbürgers gemeint ist, sondern ein Machtzuwachs der ohnehin schon hinreichend mächtigen Gewerkschaftsbürokratie: „Sie (die Gewerkschaften) sind Träger der Mitbestimmung auf betrieblicher und überbetrieblicher Ebene.”
Ähnlich wird die Maske auch in der Frage des „Eigentums” fallen gelassen: am Eigentum wird zwar grundsätzlich nicht gerüttelt - das könnte die „liberalen” Wähler verschrecken -, doch wird im Pro blemkatalog eine „Demokratisierung der Verfügungsgewalt” verlangt, „wobei die Gemeinwirtschaft die Speerspitze sein soll”. Dies kann nicht mehr und nicht weniger als das Postulat nach mehr Verstaatlichungen bedeuten.
Wie ein roter Faden zieht sich die Kritik an der Marktwirtschaft und ihren angeblichen Fehlern durch das Papier. Der Kampf gegen die „Krisenanfälligkeit” der Marktwirtschaft sowie gegen deren tatsächliche oder vermeintliche Nachteile dient den Programmbastlern schlechthin als Freibrief, Freiheitsräume stark einengen zu wollen: da wird nach „überbetrieblicher Planung” gerufen und die „gesamtwirtschaftliche Steuerung” verlangt; auch von einer „demokratisch planenden Gesellschaft” ist die Rede und von der angestrebten „Vergrößerung des Sozialprodukts, der durch den Staat und öffentliche Einrichtungen umverteilt wird”, „öffentliche Investitionen” werden genauso beschworen, wie die „steigende gesamtwirtschaftliche Bedeutung des öffentlichen Sektors”.
Diese kleine Auswahl soll deutlich machen, wie sehr die Väter dieses Programmes noch altmarxistischen Gedankengängen nachhängen, wie wenig sie sich mit der wirtschaftlichen Entwicklung in den westlichen Industrieländern der letzten Jahre auseinandergesetzt haben. Kein Wort über private Investitionsförderung, kein Wort etwa über gezielte Steuersenkungen, um dem Unternehmer Anreize zum Investieren zu geben (wie es derzeit die deutschen Sozialdemokraten tun), kein Wort über die Möglichkeit öffentlicher Unternehmungen, dort wo sie eindeutig versagen, einer Reprivatisierung zuzuführen (Beispiel: Bauring). Im Gegenteil,’immer wieder wird die Forderung nach Erhöhung des staatlichen Einflusses verlangt.
Daß der Marxismus ein gestörtes Verhältnis zur Leistung hat, ist bekannt, auch im SP-Entwurf findet sich keine Bewältigung dieses Problems. Zwar wurde die Forderung des Problemkatalogs nach „Umkehrung der Lohnpyramide” - weil sicherlich unpopulär - fallengelassen, doch finden sich eine Reihe leistungsfeindlicher Aussagen, wie: „Zwar verleiten die hierarchische Berufwirklichkeit des Großbetriebes und indivudualistische Ideologien der Konsum- und Leistungsgesellschaft viele Menschen zu der Hoffnung, nur durch individuellen Aufstieg und individuelle Leistung ihre Situation verbessern zu können. Mehr Macht, mehr Prestige oder mehr Geld allein verbürgen aber kein sinnvolles Leben!”
Diese Liste an Zitatenbeispielen ließe sich beliebig fortsetzen. Was bleibt, ist das Unbehagen, daß die SPÖ, der es mit Kreisky in den letzten Jahren gelungen war, dem Wähler ein liberales und offenes Antlitz zu bieten, einen Programmentwurf vorlegt, der zutiefst marxistisch und damit weltfremd und utopisch anmutet.
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