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Dialog
Für ein paar Tage konnte man glauben, Wien wäre wirklich die vielzitierte Drehscheibe zwischen Ost und West, das Zentrum für eine Begegnung der großen Geistesströmungen unserer Zeit Prominente Marxisten aus Rom und Paris und auch aus Prag, Marxismuskenner und Naturwissenschaftler aus Deutschland gaben sich ein Stelldichein: das „Naue Forum“, aeit Jahren um die Intensivierung des Ost-West-Gesprächs bemüht und verdient, konstituierte ein internationales Redaktionskomitee prominenter Theologen und Marxologen, man diskutierte im Farnsehen, man diskutierte in Podiumsgesprächen über den Stand des „Dialogs“ zwischen Christen und Marxisten.
Von Freiheit war die Rede, von Transzendenz, vom Sinn des Lebens und vom Tod. Der Marxismus entdeckte — fast — alle seine philosophischen Schwächen, eine Weltanschauung — fast — alle ihre Mängel. Für die Christen mag es eine Genugtuung sein, wenn der Marxismus, lange Zeit als „pervertierte Heilslehre“, als „Religionsersatz“ auftretend, diese Heils- und Religionsaspekte, diese Funktion als Ersatzkirche aufgibt. Oder gibt er diesen weltanschaulichen Zug gar nicht auf? Sieht es nicht so aus, als ob die erkannten Schwächen und Lücken nun durch das Christentum ausgefüllt
werden sollen? Als ob der nachlassende Elan der marxistischen Utopie durch die neuentdeckte revolutionäre Kraft der christlichen Botschaft ersetzt werden soll? Als ob der heute von der Kirche endgültig ad acta gelegte „rechte“ Integralismus durch einen neuen, „linken“ Integralismus abgelöst werden soll?
Die Gefahren des „Dialogs“ aufzuzeigen, heißt nicht gegen den „Dialog“ sein. Es heißt nur, die echten Ziele und Möglichkeiten eines solchen Gesprächs zwischen Christentum und Marxismus in Erinnerung rufen — gerade dann, wenn von kommunistischer Seite immer stärker auf die „Realisierung des Dialogs“ durch politische Zusammen-arbeiit in konkreten Fragen (Abrüstung, Vietnam) gedrängt wird. Genügt es für eine solche Zielsetzung wirklich, die philosophischen Grundfragen zu behandeln, nicht aber die konkreten politischen Voraussetzungen, von Metaphysik zu reden und der Politik auszuweichen, über Transzendenz zu diskutieren, um nicht von Demokratie reden zu müssen, und den Sinn des Lebens zu erörtern, nicht aber die Möglichkeiten zu freier Kritik, zu legaler Opposition in den kommunistischen Staaten? Kann es auf lange Sicht genügen, Toleranz im unverbindlichen Bereich der Philosophie zu üben, nicht aber im konkreten Feld der Politik?
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