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Problematische soziale Wirklichkeit
GRÜNDZÜGE DER SOZIALPSYCHOLOGIE. Antoine Oldendorff. Verlag J. P. Bachem, Köln. geb.. 232 Seiten. 22 DM.
GRÜNDZÜGE DER SOZIALPSYCHOLOGIE. Antoine Oldendorff. Verlag J. P. Bachem, Köln. geb.. 232 Seiten. 22 DM.
Der Verfasser, Professor in Eindhoven und . Dozent an der (Katholischen) Handelshochschule in Tilburg legt uns nicht, wie man auf Grund des Titels vermuten müßte, ein Lehrbuch oder eine Systematik der Grundzüge der Sozialpsychologie vor, sondern will uns die Bedeutung seines Faches durch pointierende Hervorhebung wesentlicher sozial- psychologischer Probleme verständlich machen.
In einer Zeit, in der Soziologie mit dem Ausweis von Zahlenaggregaten verwechselt und der Mensch zur letzten, weil nicht reduzierbaren (abstrakten) Einheit von sozialen Prozessen und Gebilden degradiert wird, ist ein Buch wie das vorliegende Hinweis darauf, daß im Sozialen menschliche Wirklichkeiten ange- zeigt sind. Das Person-Sein wird durch die Bezüge zum anderen nicht aufgehoben, sondern in einer neuen Weise bestätigt. So wichtig dem Verfasser die gleichsam in Planquadraten sozialer Beziehungen niedergelegten Testergebnisse und jede seriöse Form der Soziamaterie sind, er sieht die Ergebnisse seiner Wissenschaft nur gesichert, wenn sie sich stets der Gravitation zum lebendigen Menschen hin bewußt ist. Daher wird in der Sozialpsychologie des Verfassers stets die Wirklichkeit Mensch, wenn auch in ihren mitmenschlichen Bezügen, geschildert. In erster Linie wird jedenfalls der Mensch, soweit er sein Mensch-Sein in ein Wir einbringt, stets als Individuum handeln.
Nach einer Einführung, die sich mit 'der sozialpsychologischen Betrachtungsweise und den konformen Untersuchungsmethoden befaßt, geht der Autor auf das Phänomen der Person ein, soweit sie in ihrer
SelbstdarsteUung vom Milieu determiniert wird. Die „Soziale Rolle“ als Verhaltensweise gemäß einer Verhaltenszumutung wird ebenso eingehend erläutert wie der „Soziale Raum“, der dem jeweiligen Menschen in einer besonderen Form vorgegeben ist und ihn auf Normen zu verpflichten sowie Distanzkonstanten festzulegen sucht. Die „Soziale Lebensordnung“ als ein Katalog von Normen und Sanktionen ist schließlich die Totale, in der sich das Soziale, das auch ein Geschichtliches ist, anzuzeigen vermag. Nach einer eingehenden Wesensschilderung der Gruppe wird ihre oft geheimnisvolle Konstitution und Konfiguration geschildert.
Abschließend geht der Verfasser auf ein Grenzgebiet seines Faches, auf die Moral in der Begrenzung der Gruppenmoral, ein, deren Effekte sich drastisch in den Interaktionen der Angehörigen von Arbeitsgruppen niederschlagen. Der Hinweis darauf, daß die Moral (besser: die Ethik, wenn nicht der Ethos) als eine Sollensordnung wohl von den Vertretern einer an sich wertefreien Wissenschaft beachtet werden müsse, läßt den Standort des Verfassers und sein Bemühen erkennen, in der Sozialpsychologie nicht eine soziale Physik zu sehen.
Wenn auch kein umfassendes Lehrbuch, ist die vorliegende Schrift wegen ihrer klaren Darstellung und ihrer ständigen Hinweise auf die konventionellen Testverfahren eine ausgezeichnete Möglichkeit, aus einer Darstellung von Teilbereichen des Faches seine Bedeutung für die Sozialwissenschaften zu erkennen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
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