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Von der Natur der Sozialen

19451960198020002020

DER MENSCH IN DER GESELLSCHAFT (Sozialphilosophie II). Von Martinus G. Plattei. Verlag J. P. Bachem in Köln. geh. 232 Seiten.

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DER MENSCH IN DER GESELLSCHAFT (Sozialphilosophie II). Von Martinus G. Plattei. Verlag J. P. Bachem in Köln. geh. 232 Seiten.

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Die Sozialphilosophie ist der Versuch, den Menschen (als Phänomen) aus seiner Mitmenschlichkeit heraus zu erklären und ist insoweit in Opposition gegenüber einer aperso- nalen Lehre von der Gemeinschaft, welche diese nur als eine Integration aus Zufall oder auf Grund von Kontakten erklärt.

Der erste Band der Sozialphilosophie des Autors (der Ordinarius für Sozialphilosophie an der Katholischen Handelshochschule in Tilburg ist) beschäftigte sich mit der Grundlegung einer vom Personalismus her begründeten philosophischen Anthropologie, die davon Abstand nimmt, das Miteinander der Menschen nur im Sinn solidaristischer und handelsgeschäftlicher Mentalität zu begreifen und nicht vom Grund her als Liebesgemeinschaft begründet sieht.

Der vorliegende zweite Band dient dem Autor dazu, seine Theorien von der Natur des Sozialen an repräsentativen Erscheinungen darzustellen. Die Soziologie geht von Daten aus und sucht den Menschen in seiner körperlich-prozeßhaften Selbstdarstellung in einen in sozialen Prozessen und Gebilden angezeigten Zusammenhang mit dem Mit-Men- schen zu analysieren. Die Sozialphilosophie richtet dagegen ihre Ermittlungen auf das Wesen des Mitmenschlichen, ist also Wesensschau; sie ist auf ein Sein hinter dem Ober- flächen-Sein bezogen.

Der Autor gebt nun bei exempla-

rischer Darstellung seiner Theorien, ) die er sich für Band II Vorbehalten 3 hat, derart vor, daß er Gegenwärti- l ges aus dem historischen Ablauf zu erläutern sucht und nicht Gegenwär- , tiges verabsolutiert.

Im Kapitel „Recht und Gerechtigkeit“ begründet Plattei keine Auffassung vom Recht, indem er dieses als eine Form der Normierung der : Liebe zu begreifen sucht. Das Recht,

das dem einzelnen die Chancen sichert, die er im Rahmen einer

Aktualisierung als Person benötigt, konstituiert jedoch unvermeid-

bar Distanzen zwischen den Men- I sehen (mittels) der Errichtung von Rechtssphären), ist daher nicht spontaner Vollzug wie die Liebe, sondern vorbedacht. Liebe und Gerechtigkeit 1 (für die das Recht ein Katalysator 1 ist) sind zwei Momente der „einen variierten menschlichen Aktivität“

(S. 29), während das Recht allein nur i ein Instrument zur Absicherung des

Zusammenlebens ist.

Die Untersuchung des Phänomens , „Staat“ geht von einer gründlichen historischen Grundlegung aus, die ’ das Nacheinander der Erscheinungs- ’ weise Staat darstellt, von einer Hofhaltung, die der Devotion und der Machtsicherung einer Person zu die- nen hat, bis zur scheinbar perfekten Gemeinschaft, als die sich der demo- ' kratische Staat darzustellen sucht. 1 Als Nationalstaat erweist sich die staatliche Gemeinschaft nur als eine nach außen bekundete Organisa- ' tionsweise, weist aber nach innen erhebliche Organisationsdefekte auf. Die Machtakkumulation, die geradezu aus der Natur der Sache heraus im modernen Staat sichtbar wird, weil seine Dienste das Leben nicht lebenswert, wohl aber möglich machen, bedarf einer angemessenen Reparatur, welche die Qualität der im Staatsapparat angelegten Dienst- , barkeiten jedoch nicht schmälern darf, sondern wirksamer zu machen hat. Dazu dient die Organisations- . weise der Subsidiarität. Die Demo- , kratie, Index eines Reifungsprozes-

ses des Menschlichen im Bereich i staatlicher Integration, führt zu i einer Partizipation in Liebe.

Im Abschnitt „Arbeit und Welt“

wird die Arbeit als ein wesentlicher 1 Ausweis menschlichen Daseins de- [ klariert, der in der gegenwärtigen 1 Organisation der Produktion so gut ; wie ausschließlich nur über die Arbeitsteilung, also in Kooperation realisiert werden kann. Als Instru- ! ment zur Humanisierung der Sach- welt kann die Arbeit in ihrer sozia- ' len Bedeutung absolut gesetzt wer den (Marxismus), oder sie wird lediglich als Mittel begriffen, das sein Ziel nicht in sich hat.

Im letzten Kapitel geht der Verfasser auf die Eigentumskontroverse ein. („Der Wert des menschlichen Besitzes.“) Nach P. hat das Eigentum aus seinem Wesen heraus zwei Dimensionen, eine individuelle und eine soziale. Der Methodenmonismus, das Eigentum nur eindimensional bezogen zu sehen, kommt der Wirklichkeit der im Eigentum (als Eigentums- und Besitzrecht) begründeten sozialen Organisationschance nicht nahe. Anderseits erkennt der Autor, daß sich während der Diskussion um die Frage der Zustimmung oder der Ablehnung der Institution von Privatoder Gemeineigentum eine dritte Eigentumsordnung etabliert hat, die bereits einen oligarchischen Charakter hat.

Die abgewogenen, jeden Monokausalismus vermeidenden Darstellungen von Professor Plattei dienen sowohl einer neuen und wirklichkeitsnahen Einsicht in das Soziale wie auch einer Begriffsklärung, die um so notwendiger wird, je mehr die Wissenschaft vom Sozialen expandiert.

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