Abfuhr für billige Politik

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Die Europawahl bestätigte die Christdemokraten als glaubwürdigere Europapartei, strafte die Sozialdemokraten hart ab. Doch Wahl und Wahlkampf stellen Fragen nach der Leistungsfähigkeit der Medien für die politische Kommunikation.

Demokratie ist und bleibt eine herrliche Sache, vor allem, weil sie Machtträger an jene bindet, die ihnen diese Macht verleihen, namentlich die Wähler. Die Wahlberechtigten haben sich bei der Europawahl deutlich an den Urnen zurückgemeldet. Haben Weckrufe erteilt, Strafzettel ausgestellt - sind wohl auch manchen Irrtümern aufgesessen. Österreichs politisches Personal fand sich mitsamt Programmatik und Praxis auf dem Prüfstand wieder, wurde gewogen und teils für zu leicht befunden.

Das gilt zuallererst wohl für die Sozialdemokratie und ihre Führung unter Werner Faymann. Ihr Debakel mit fehlender Strahlkraft des Spitzenkandidaten Hannes Swoboda zu erklären, lenkt nur ab vom eklatanten Mangel an programmatischen Inhalten. Die politische Linke hat im Unterschied zu den Christdemokraten und Konservativen einen weniger zugkräftigen inneren Zugang zu Europa. Das Thema scheint ihr fremd zu sein, eine Linie daher zu fehlen. Dieses Vakuum füllen nicht nur politische Mitbewerber und Nichtwähler, sondern auch eine wenig erwünschte Kommunikationsstrategie und ihr Verbündeter, der Boulevardjournalismus.

Anbiederung wird nicht honoriert

Wenn etwas in einer Mediengesellschaft leicht durchschaubar ist, dann ist es die Anbiederung an Medien. Es ist für Politiker definitionsgemäß unmöglich, sich heimlich in einem Medium und via dessen beliebt zu machen, denn gerade im Gegenteil, nämlich dem Öffentlichen, stecken ja Ziel und Wirkung der Anbiederung. Faymann ist damit am Boulevard gescheitert, weil er ihn strategisch nutzen wollte, aber offensichtlich ohne dessen Mechanismen ausreichend erkannt zu haben. Der Boulevardjournalismus kennt in seinen Titeln nur Sieg oder Niederlage, kraftstrotzende Ankündigung oder geharnischten Protest. Nichts davon hatten die SPÖ und Faymann zu bieten. Daher wurde sie zwar geschont, aber eben auch nicht befördert. Doch der Politik unterläuft in Sachen Medien zu oft ein zweiter Denkfehler.

Massenmedien haben in einer Demokratie eine von Verfassungen und von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausdrücklich anerkannte Kritik- und Kontrollfunktion. Diese wird von den Qualitätsmedien ausgewogen, überprüfbar und konstruktiv wahrgenommen. Die Boulevardmedien jedoch reduzieren Kritik auf übertreibende Wiedergabe von ödem, billigem, ja primitivem Protest, weil sie ihrem Publikum nicht mehr zumuten wollen und zudem dieses Angebot für ausreichend halten, um in die Nähe ersehnter Bedeutsamkeit zu gelangen. Korrespondierend mit diesen Medienmechanismen entsteht, was der geradezu legendär gewordene frühere EU-Kommissar Franz Fischler am öffentlichen Gespräch über Europa zutreffend charakterisiert: Die Kommunikation über die Europäische Union werde zu sehr ihren Kritikern überlassen. Was nicht der einzige Aspekt berechtigter und richtiger Kritik an der Mediengesellschaft ist.

Politik ist mehr als ein Pferderennen

Zu wenige Massenmedien befassen sich mit Policy, der inhaltlichen Dimension der Politik, und mit Polity, dem politischen System. Viele, vor allem die weitest verbreiteten, widmen sich Politics, dem politischen Prozess. Unter diesen Verhältnissen, diktiert von der normativen Kraft der faktischen Reichweite, schießt naturgemäß der Horse Race Journalism ins Kraut: Umfragegestützt wird atemlos rapportiert, wer vorne liegt. Da kommen Inhalte zwangsläufig zu kurz. Anders ausgedrückt: Wer sich etwa für den Europa-Parlamentarier Othmar Karas erst und nur unter der Bedingung eines innerparteilichen Herausforderers interessiert, der interessiert sich vor allem für Schaukämpfe.

Die Bedeutung des Europäischen Parlaments sowie Inhalte und Mängel europäischer Politik kamen bei der Europawahl zu kurz. Eine flache, billige und inhaltsleere medienzentrierte politische Kommunikation hat die Mehrheit der Wähler nicht für Europa gewonnen, und was blieb, wurde von manchen schlicht abgewählt. Man hofft auf die Lehren aus diesem Vorgang.

* claus.reitan@furche.at

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