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So nicht!

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Das hotte nicht geschehen dürfen. Entweder wir leben in einer Demokratie oder wir verzichten darauf. Die Bundesverfassung legt fest, daß Österreich eine demokratische Republik ist und ihr Recht vom Volke ausgeht. Das oberste und einzig realisierbare Recht des Volkes aber ist das Wahlrecht. Mit ihm bestimmt das Volk die Männer und Frauen, die stellvertretend für das Volk als Abgeordnete die Gesetze zu bestimmen haben. Das Proportionalwahlsystem verlangt mehr als das Einerwahlsystem, daß es die politischen Parteien sind, die dem Wählervolk die Kandidaten vorschlagen müssen. Damit die ganze Sache aber funktionieren kann und weil man vor allem nicht weiß, ob der liebe Gott einen gewählten Mandatar vielleicht vorzeitig abberuft oder ob der Mandatar selbst von seiner Würde und Bürde genug hat, müssen die Parteien Listen vorlegen, die mehr Namen als erreichbare Mandate enthalten. Scheidet ein Gewählter aus irgendeinem Grunde aus, so rückt sein Nachmann auf der Liste an seinen Platz. Der Wähler wählt also mit seinem für eine Partei abgegebenen Stimmzettel alle Kandidaten, gleichgültig ob sie zum Zuge kommen oder nicht. Ein auf der Liste stehender Kandidat, der nicht mehr zum Zuge kommt, rückt, wenn sein Vordermann, der ein Mandat erlangt hat, ausfällt, als zu Recht gewählter Abgeordneter in das Hohe Haus ein.

Weil wir in Österreich gemäß dem Legalitätsprinzip aber für alle Möglichkeiten Vorsorgen, sieht der in jüngster Zeit vielzitierte Artikel 103 der Wahlordnung zum Nationalrat vor, daß eine Partei das Recht hat, auch während einer Legislaturperiode eine neue Liste einzureichen, wenn alle auf der alten Liste stehenden Kandidaten durch Tod oder Rücktritt ausgefallen sein sollten. Merkwürdig ist die steirische Auslegung dieses Paragraphen. Der Rücktritt Dr. Piffl-Percevics als Abgeordneter brachte die steirische ÖVP auf den Gedanken, nicht den hinter Piffl auf der Kandidatenliste Rangierenden nachrücken zu lassen, sondern einen anderen in den National-rait zu schicken, der gar nicht auf der Liste stand. Durch Verzichtserklärung aller auf der Liste stehenden Nachmänner Piffis ist zunächst der Fall des Artikel 103 eingetreten. Die steirische ÖVP konnte und mußte also eine neue Liste einreichen. Aber was ist auf dieser neuen Liste zu lesen? Hinter dem steirischen Favoriten Dr. Josef Krainer stehen wiederum jene gewählten Kandidaten, die vorher eine Verzichtserklärung abgegeben haben. Nun, so geht's wirklich nicht. Wer auf seine Kandidatur verzichtet hat, kann nicht im nächsten Augenblick neuerlich seine Kandidatur anmelden. Die neue Liste wäre nicht zu beanstanden gewesen, wenn sie nach Dr. Josef Krainer neue Namen enthalten hätte. Die Wiederaufstellung der Kandidaten, die soeben auf ihre Kandidatur verzichteten, kann doch gar nichts anderes bedeuten, als daß diese Kandidaten ihren Verzicht widerrufen haben. Dann aber haben sie zum Zuge zu kommen und nicht eine Persönlichkeit, die gar nicht auf der Kandidatenliste stand und sich daher auch dem Wähler nicht stellen konnte. Damit soll nichts gegen die Person von Dr. Josef Krainer gesagt sein, der die Situation ohnedies richtig erkannte und sich aus diesem Geschäft sofort zurückzog. Die steirische ÖVP hätte sich die Belehrung durch ihren Parteifreund, den Innenminister, ersparen können.

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