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Noch gebremst

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Zuerst drängte der Finanzminiister, dann verschob er, dann trat er zurück. Im kommenden Jahr wollte Dr. Wolfgang Schmitz die Mehrwertsteuer in Österreich einführen.

Die ursprünglichen Triebfedern solcher Totalrevision unseres Steuersystems waren die Initiatoren eines Arrangements Österreichs mit der EWG. Die EWG hatte nämlich im Zuge der Angleichung der Steuereinhebung in den Mitgliedsstaaten die Regierungen der Sechsergemeinschaft aufgefordert, die Mehrwertsteuer einzuführen. Die Bundesrepublik hat bereits diesen Schnitt vollzogen und kann jetzt mit ersten Erfahrungen auf warten. Andere EWG- Staaten, etwa auch Italien, wollen noch ein wenig zuwarten.

Mehr Steuern zahlen?

Finanzminister Dr. Schmitz nahm seinerseits die Anregung auf, auch für Österreich Vorarbeiten durchzuführen. Das Ergebnis: Eine wettbewerbsfreundliche Maßnahme wäre wünschenswert und die Mehrwertsteuer würde tatsächlich in Österreich zur Ankurbelung dienen. Allerdings bauten die Beamten des Ministeriums in der Himmelpfortgasse sogleich Bestimmungen ein, die dem Staatsfiskus ein „Mehr“ erbringen sollten.

Aufgescheucht durch die Meldungen über die zu erwartenden Maßnahmen reagierten Handel und Industrie. Schmitz seinerseits kündigte an, daß schon am 1. Jänner 1969 die Mehrwertsteuer Wirklichkeit werden solle.

Die Unruhe über die Ungewißheit des neuen Systems brandete auch zu Bundeskanzler Dr. Klaus und zum Herren der Kärntnerstraße, zum

ÖVP-Generalsekretär Dr. Withalm. Klaus monierte sich, daß jedes „Mehr“ einer stillen Steuererhöhung gleichkomme und daher grundsätzlich abzulehnen sei. Nur wett- bewerbsfördemde Umschichtungen sollten im Sinne des neuen Steuersystems liegen.

Dr. Withalm seinerseits malte die Situation aus, die eintreten würde, wenn durch Belastungen in gewissen Sparten neue Preiserhöhungen eintreten könnten. Denn der 1. Jänner 1969 war von Schmitz denkbar schlecht gewählt: 1969 ist ein kleines Wahljahr und 1970 finden unweigerlich Nationalratswahlen statt. Tatsächlich — so errechnete die Bundeskammer — würden lohnintensive Betriebe, vor allem also Dienstleistungsunternehmen, stärker belastet werden als die Industrie.

Zu diesen Überlegungen kam noch der Einwand vom ÖVP-Brain-Trust: das Wort „Mehrwertsteuer“ würde von der einfachen Bevölkerung und von der Opposition als ein „mehr an Steuer“ ausgelegt werden

Ein Plus für den Handel

So steckte Schmitz auch bald zurück und erklärte, die Einführung der Mehrwertsteuer sollte erst 1971 erfolgen. Die wahltaktische Reaktion würde dann allerdings erst recht nicht ausbleiben: Denn dann könnte die Opposition unter Hinweis auf diesen Termin der Bevölkerung leicht erklären, daß eben nach den Wahlen mehr Steuern zu zahlen wären.

Doch alle Spekulationen lösten sich von selbst durch die Übersiedlung von Dr. Schmitz auf den erheblich ruhigeren Sessel des Nationalbankpräsidenten. Der neue Finanzminister Dr. Koren äußerte sich noch kaum zu den Plänen seines Vorgängers und hat durch die zehnprozentige Lohnsteuererhöhung einerseits, durch den langfristigen Koren-Plan anderseits die Weichen in andere Richtungen gestellt.

Allerdings: die Beunruhigung der Wirtschaft hält — wenn auch in Grenzen — an.

Noch im Frühjahr ersuchte die Bundeskammer das Finanzministerium um Information, um die Wirtschaft zeitgerecht auf die Umstellung iVorzüböreitehh'" T ooo.oo

Der österreichische Handel seinerseits hat bereits erklärt,'"daß "Stich eine weitgehende Wettbewerbsneutralität für ihn wünschenswert wäre. Die Einführung der Mehrwertsteuer stellt aber — so sagen die Exponenten des Handels — eine ideale Lösung dar.

Finanzminister Dr. Koren wird also schon bald zu entscheiden haben, wie er im Slalom zwischen Wahltaktik, Staatsdefizit und Wirtschaftsinteressen zu lavieren gedenkt.

Der ursprüngliche Grund der Einführung der Mehrwertsteuer ist allerdings weggefallen: Österreich wird auch in absehbarer Zeit kein echtes Arrangement mit der EWG abschließen können

Entgegnung

Sie schreiben in Ihrer Nummer vom 17. August 1968 auf Seite 5 unter der Überschrift

„Probst: Austromarxistische Kriegstänze“ unter anderem: „Daß Probst das Wahlkampfheil in der Radikalisierung der Innenpolitik zu finden glaubt, scheint an Hand von Äußerungen, vor allem Auslandsjourna- listen gegenüber, ziemlich sicher. Probst machte kein Hehl daraus, daß die SPÖ seiner Meinung nach die

Regierung durch hohe Lohnforderungen, Streiks und Straßendemonstrationen in die Knie zwingen sollte.“

Im Gegensatz zu dieser Darstellung hat Otto Probst niemals Auslandsjournalisten gegenüber erklärt, daß die SPÖ seiner Meinung nach die Regierung durch hohe Lohnforderungen, Streiks und Straßendemonstrationen in die Knie zwingen sollte.

Otto Probst

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