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Wirtschaftskommentar

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Wirtschaftskonzepte wurden biiher in Österreich meist unter Bedacht- nahme out die jeweils nächsten Wahlen und daher rm Sinn machtstrategischer Konzepte von einer Partei formuliert. Wirtschaftskonzepte sind daher überwiegend Partei-Wirf- schaftskonzepte gewesen. Für viele Politiker herrscht jedenfalls stets Wahlkampf. Sie etablieren sieh für Mandatsdauer auf den Barrikaden oder räuchern ständig mit Wortspritzen die Schlupfwinkel der Gegner aus, auch wenn sie ohnedies leer sind. Erheblich attraktiver als jedes Wirtschaftskonzept ist überdies ein Wirt- schaltsskandal. Beim Gegner. Davon versteht man etwas. Man ist im „Bild”.

Neben den in der Tiefe ihres Wesens gesinnungslosen, die turbulente Feldschlacht liebenden Landsknechten der Politik gibt es noch die düsteren „Klassenkämpfer” aller Riten. Auch ihnen scheinen Wirt- schaltsprogramme nur so weit gut, als ihre Durchführung den Angehörigen jenes Gebildes zu nützen scheint, dem sie sich aus Interesse oder gegen Honorar verpflichtet fühlen.

In atten Fällen wird aber zum Beweis objektiver Haltung, wie im vorigem Jahrhundert der Aufklärung, die hohe Wissenschaft bemüht, wobei schließlich „Wahrheit” gegen „Wahrheit” steht, Computer gegen Computer.

Als Folgen einer geradezu strukturellen Fehlhaltung nicht weniger mit Wirtschaftstragen befaßter Politiker sind wir nun in einem wachsenden Umfang Zeugen eines politischen Puerilismus, der sich in literarischen Proklamationen gefällt, die er in Form eines Pakets von drohenden Forderungen in Sachen Wirtschaft präsentiert. Forderungsadressai sind die jeweils anderen, der „Klassengegner” als geborener und der Finanzminister als gekorener Feind; dieser soll nun die ungedeckten Wechsel einlösen, wobei man ihm empfiehlt, die Ausgaben einfach durch Steuerreduktion oder durch Konfiskation bei den „Reichen” zu „decken”.

Wenn der Erb-Gegner es wagt, auch ein Wirtschaftskonzept vorzulegen, wird es vorweg („ung’sehaut”) als falsch deklarier!: Es gibt eben nur eine Wahrheit; diese aber wurde bereits vom Apparat und den Stubengelehrten des eigenen Brain-Trusts geliefert. Wo eine Wahrheit etabliert ist, kann für eine andere kein Platz sein.

Wirtschaftskonzepte von Parteien und solchen Gruppen, die eigentlich auch den Charakter von Parteien haben, besitzen wir nun in Österreich in einem angemessenen Umfang. Was wir aber benötigen, ist nicht ein Katalog von einander widersprechenden Konzepten und Kommerz-Hymnen, sondern e 1 n Konzept, auf das sich die Staatsparteien und die Führer der großen Interessentenverbände einigen sollten. Ein solches Konzept würde vielleicht nicht jene markige Eindeutigkeit aufweisen wie die Einseifig- keitsprogramme, die wie ein Planspiel ohne reale „Feindberührung” widerstandslos formuliert wurden, sondern Merkmale von Kompromissen zeigen — aber es würde eher durchführbar sein als die Einseitigkeilskonzeple, die vom „Ein-Parteien-Staaf” oder von einer Mehrheitsdiktatur im Sinn dar Vorstellungen des klassischen Chartismus ausgahen.

Die Wirtschaft eines Landes 1st eben ein Ganzes. Ihre Grundstrukturen entsprechen daher sowohl eigenen als auch gegnerischen Grundanschauungen; im ökonomischen Prozeß sind Staatsdiener und „Kapitalisten” engagiert, Arme und Reiche, Direktoren und ihre Chauffeure. Ihre Positionen sind in einer nach Funktionen gegliederten Wirtschaftsgesellschaft legitim — daher auch ihr

Anspruch auf Sicherung und Expansion ihrer Lebenschancen. Niemand kann bei der Versorgung ausgenommen werden, kein einzelner und keine soziale Großgruppe. Einseifig- keitsprogramme aber sind stets auf Enteignung einer Gruppe, zumindest auf ungebührliche Disziplinierung ihrer wirtschaftlichen Disposition gerichfef.

Wenn von einem allgemein angenommenen und realisierbaren Wirtschaftskonzept die Rede ist, dann nicht von einem Katalog genauesten einzuhalfender Vorschriften. Es gibt auch im sogenannten Westen Formen einer Reglementierung der Dispositionsfreiheit im Bereich der Wirtschaft, die schließlich ohne förmliche Änderung der Eigentumsordnung zum Entstehen eines verdeckten Kollektivismus führen. Wenn wir trotz einem verpflichtenden Konzept die grundsätzliche Wirtschaftsfreiheit bewahren wollen, kann daher als Plan nur ein Rahmenplan verstanden werden, mit oberen und unteren Interventionsgrenzen:

a) ein langfristiges Konzept, das auf den Umbau unserer Gesellschaftsordnung Bedacht nimmt, das sich in langen Perioden vollziehen soll;

b) ein kurzfristiges Konzept, das von einem bereits gegenwärtigen Bedarf ausgeht. Keineswegs dürften aber die Termine so knapp bemessen werden, daß ihre Einhaltung, wie etwa bei der Autobahn, auf Kosten der Qualität geht.

Derzeit haben wir in Österreich praktisch so gut wie kein allgemein akzeptiertes Wirtschaftskonzept; die Qualität der wirtschaftlichen Maßnahmen muß daher ohne Schuld der Exekutoren immer mehr auf das Niveau von Oberbrückungsmaßnahmen absinken, die, aus der Not des Augenblicks geboren, die Qualität von Improvisationen haben. Kein gemeinsames Konzept ist unleugbar auch ein Konzept, mehr aber Ausweis dafür, daß das Freund-Feind- Denken hierzulande eine Entwicklung genommen, die auch die Region der Wirtschaft unseres Landes nicht mehr verschont. Es gibt nicht allein die nach Parteien eindeutig getrennten Mandatsgebiete, sondern bereits autonome innerstaatliche Wirtsehafts- blöcke, die bald untereinander Handelsverträge abschließen und Handelsdelegierte austauschen müssen. So fremd Ist man einander geworden. Die Einheit des Landes, 1945 elementar durch Ausländer bedroht, wird nun spontan von innen her durch Territorialmanager gefährdet. Schon bestehen Demarkationslinien, Mauern, deren Obersleigen berufsgefährlich ist, Wachposten auf beiden Seiten. Bürgerliche und sozialistische Banken, bis zum Portier sozialistische und bis zum Amtsrat „bürgerliche” Wlrt- sehaftsministerien.

In der neuen gesetzgebenden Versammlung wird man sich hoffentlich weniger darauf beschränken, den Gegner zu schädigen, sondern unter anderem auch daran denken, daß wir nunmehr daran sind, vor lauter Wahlkämpfen und Gegnerbekriegen auf den Status eines wirtschaftlich unterentwickelten Landes abzusinken. Die Entwicklungikurvan unserer Investitionen und des Sozialprodukts sind zwar nicht alarmierend, aber doch derart, daß die hochbezahlten Politmanager sich nun darüber entscheiden müssen, ob sie uns weiterhin Tumulte, Wahlreden, literarische Produkte oder doch einmal ein praktikables Wirtschaftskonzept darbieten, das die eminenten menschlichen und sachlichen Reserven in unserem Land angemessen aktiviert. Freilich bedürfte es dazu einer größeren Zahl von Wirtschaftsexperten im Hohen Haus als im letzten Parlament.

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