Gehirn - © Bild: iStock/noppari

Geheimnis Gedächtnis

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Das Phänomen der Erinnerung fasziniert Hirnforscher und Computerfreaks, Ärzte und Künstler. Zugleich erfordert die Zunahme von Demenzerkrankungen einen neuen Umgang mit dem Vergessen.

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Das Phänomen der Erinnerung fasziniert Hirnforscher und Computerfreaks, Ärzte und Künstler. Zugleich erfordert die Zunahme von Demenzerkrankungen einen neuen Umgang mit dem Vergessen.

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Eric Kandel ist in Wien, und wenn er auftritt, ist der Andrang des Publikums garantiert: Am Sonntag sprach der 83-jährige Medizin-Nobelpreisträger am Weltkongress für Neurologie über die historische Verbindung der Stadt Wien zu Kunst und Neurowissenschaften; am Dienstag referierte er an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften über Speicherprozesse von Information im Gehirn.

Seit mehr als einem halben Jahrhundert ist der "Rockstar der Neurowissenschaften“, wie er von einem Wissenschaftsmagazin unlängst bezeichnet wurde, dem Geheimnis unseres Gedächtnisses auf der Spur. Kandel konnte nachweisen, dass Erinnerung mit dem Bau neuer Schaltstellen im Gehirn einhergeht und umgekehrt beim Vergessen molekulare Blockaden wirksam werden. Auch das ist wichtig, denn sonst würden wir uns immer alles merken.

Kandels großes Forschungsthema, die Grundlagen von Erinnern und Vergessen, ist unschwer mit seiner Biographie in Verbindung zu bringen. 1929 als Sohn jüdischer Eltern in Wien geboren, musste er die Schikanen und Schrecken der NS-Herrschaft erleben, bis ihm 1939 mit seinem Bruder die Flucht zu Verwandten in den USA gelang. Dort avancierte er zu einem Pionier der Gehirnforschung und entschlüsselte molekularbiologische Mechanismen geistiger Funktionen. An der Akademie der Wissenschaften verdeutlichte Kandel, wie im Gehirn aus einer flüchtigen Kurzzeiterinnerung eine längerfristige Erinnerung entsteht und wie bedeutsame Ereignisse in unserem Gedächtnis gewissermaßen mit einem Siegel versehen und anhaltend abgespeichert werden - sodass die Erfahrung der ersten Liebe für den Rest des Lebens in Erinnerung bleibt.

Big Data und Big Brain

Dementsprechend glaubte man einst, Erinnerungen wären überhaupt im Herzen abgelegt. Dies zeigt sich etwa anhand des geläufigen technischen Begriffs für das Aufzeichnen von Informationen, dem "Recording“ ("cor“: lat. Herz). Dass der Bezug zum Herz heute eine hilfreiche Assoziation im Umgang mit der unendlichen Datenflut ist, wenn es darum geht zu entscheiden, was uns tatsächlich zu berühren vermag, daran hat Anfang dieses Monats die "Ars electronica“ erinnert.

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