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Im Spiegel der Tahrtausende

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ZWEITAUSEND JAHRE BIBEL. Hans Rost. Ein kulturgeschichtlicher Bericht. Pfeiffer, München, 1965. Kart., 208 Seiten, 8 Kunstdrucktafeln. DM 8.70.

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ZWEITAUSEND JAHRE BIBEL. Hans Rost. Ein kulturgeschichtlicher Bericht. Pfeiffer, München, 1965. Kart., 208 Seiten, 8 Kunstdrucktafeln. DM 8.70.

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Der fast neunzigjährige Verfasser, in Fachkreisen durch seine früheren Publikationen („Die Bibel im Mittelalter“ u. a.) wohlbekannt, gibt hier einen gedrängten, aber sehr materialreichen Überblick über den gewaltigen Einfluß, den die Heilige Schrift seit 2000 Jahren auf Wissenschaft und Kunst ausübt. Schon die Katakombenmalereien geben davon Zeugnis, und trotz der grimmigen Bibelverfolgung, besonders durch Diokletian, konnte Hieronymus, „der Dolmetscher Gottes“, zahlreiche griechische Handschriften dann für seine „Vulgata“-Übersetzung benützen, die Valery Larbaud kürzlich einen „der Eckpfeiler unserer Zivilisation“ nannte. Seite 52 ff. werden die Verdienste Karls des Großen und Alkuins um die lateinische Bibel gewürdigt, die in den Klöstern und bischöflichen Palastschulen immer wieder abgeschrieben wurde (59 ff.) und die der Dichtung des Mittelalters wertvollste Anregungen gab (Heliand 835, der „Planctus Evae“ des Heinrich von Augsburg 1083, das St. Trudperter Hohe Lied 1150, die liebliche Dichtung über die Kindheit Jesu des Konrad von Feuersbrunn [bei Krems] 1210 und viele andere), vergleiche Seite 96 ff. Auch Wandmalereien, Glasfenster, Teppiche und Steinplastiken (zum Beispiel die „steinerne Bibel“ von Schöngrabem aus dem 13. Jahrhundert) sind erfüllt mit Szenen aus der Heiligen Schrift (105 ff.).

Eingehend werden wir dann über die ersten Bibeldrucke Gutenbergs informiert, über dlie von Spanien inaugurierten großartigen Polyglottenbibel, ferner über die zunächst ganz schwer mißglückte Vulgat-Ausga'be Sixtus V. (154 ff., hier kann ich freilich in manchen Einzelheiten dem Verfasser nicht zustimmen) und natürlich über die Luther-Bibel mit all ihren Vorzügen und unvermeidlichen Mängeln. Auch über ihre allerdings weit weniger bekannte Rivalin, die „Piscator- bibel“, gegen welche man in Wittenberg energisch protestierte, weil in dieser Luthers Übersetzung nur nachgedruckt und „mit Calvinischem Gifft“ vermischt wurde (168), erfährt der Leser interessante Einzelheiten. Der Verfasser berichtet ferner über die andauernden Bemühungen der zuständigen Stellen, den Luther-Text sprachlich so zu modernisieren, daß er auch den heutigen Christen noch innerlich an- spricht (160 ff.). Ja sogar die ernste Krise der Sola-fldes-Lehre innerhalb des Protestantismus'selbst, wie sie etwa 1963 in Helsinki auf der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes sehr deutlich zu Ausdruck kam, wird objektiv-sachlich und an Hand verläßlicher Quellenangaben dargestellt (164 ff.).

Die letzten Abschnitte behandeln kurz die Bibel im Schauspiel, in der

Musik usw. Wenn der Verfasser wiederholt von einem „Bibelfrühling“ spricht (10, 144), der im letzten Jahrhundert in der katholischen Kirche angebrochen sei, dann verdanken wir diesen nicht zuletzt auch der bahnbrechenden Pioniertat Constantins von Tischendorf, dessen einmalige Leistung Seite 52 gebührend herausgestellt wird. Bibeltheologisch interessierte Leser beider Konfessionen können aus diesem mit reichen Literaturangaben ausgestatteten Werk (ein Sachindex fehlt leider) zweifellos viele wertvolle neue Einsichten gewinnen.

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