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Die Befreiung für die Donau

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Außerordentliche Bedeutung kommt u. a. der in Moskau eifolgten Erklärung der Sowjetunion zu, in die bereits vorgesehene Uebergabe des Deutschen Eigentums in der sowjetischen Besatzungszone Oesterreichs unverzüglich nach Inkrafttreten des Staatsvertrages gegen eine entsprechende Vergütung auch die Vermögenswerte der DDSG einschließlich der Korneuburger Werft, alle Schiffe nd Hafenanlagen an Oesterreich einzuschließen.

Lange Zeit waren die diesen Sachkomplex betreffenden Bestimmungen des Staatsvertrages, die ein Listen-Annex zu Art. 35 unter zum Teil nur dem Fachmann ermeßlichen Formulierungen enthielt, in der politischen Diskussion unbemerkt geblieben. Dieser Zustand dauerte bis zur Berliner Konferenz. Ein von der „Oesterreichischen Furche“ (Nr. 12 vom 20. März 1954) veröffentlichter Leitaufsatz sprengte dieses gefährliche Schweigen. Es sei heute hier zitiert, um an diesem Detail zu zeigen, welche wesentliche Veränderungen der Staatsvertrag in den Moskauer Vereinbarungen erhalten hat:

„Ist sich unsere Oeffentlich-keit darüber klar, daß die verlangte Uebergabe weiter Uferstrecken der Donau und vieler am Strome gelegener Objekte in fremde Hand nicht etwa eie befristete Festsetzung einer Großmacht an einer Schlagader des internationalen Verkehrs bedeuten soll, sondern zufolge der im Vertragsentwurf begehrten Uebergabe in das Eigentum der fremden Macht eine dauernde Verwandlung österreichischen Bodens in fremdes Land darstellen würde? Selbst die verlangte Uebergabe bestehender Pachtungen würde einen Dauerzustand hervorbringen, da sie begleitet sein soll von dem Verzicht auf das Pachtkündigungsrecht. Im Räume der Großstadt, in unmittelbarer Anrainerschaft an wichtige Eisenbahnlinien würden sich große Landkomplexe fremdnationalen Eigentums bilden, zusammengesetzt aus Grundstücken, dem Gebäudeareal, den Werften und Werkstätten der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft, der in der Lobau gelegenen Oelraffinerien und der Oel-lagergesellschaften an beiden Ufern der Donau. Der fachtechnischen Texticrung mag es zuzuschreiben sein, daß der öffentlichen Aufmerksamkeit bisher entgangen ist, daß nach dem Wortlaut des zum Glück in Berlin nicht unterschriebenen Vertragstextes von der Nordbahnbrücke an stromabwärts auf dem rechten Donauufer im Räume von Wien nur der dem Städtischen Lagerhaus vorgelagerte Kai in österreichischer Hand bliebe. Einem hier sich aufbauenden industriell wohlausgerüsteten Brückenkopf würde im Umfang von fast 300.000 Quadratkilometer auf beiden Seiten der Alten Donau der sehr ansehnliche Komplex der K o r-neuburger Schiffswerft mit deren vielgegliederten Ausrüstungen sich anreihen. Aus dieser Stellung kann der Eigentümer, der Macht hat, machen, was er will.

Bis hinauf an die Ufer des Mühlviertcls und hinunter bis Hainburg reichen die fremden Eigentumsansprüche auf 11 Lagerhäuser, 15 Agenturgebäude, ihr Zubehör und zugehöriges Gelände. Was für Eventualitäten die in diesen Umrissen sich andeutende staatliche Verfremdung des Donauufers eröffnen kann, sei hier nicht weiter erörtert. Die Anforderungen in dem Vertragstext reichen so weit, daß die aus dem Vertrage drohende Wegnahme der Oel-qucllen, ihrer Industrieannexe und der Hafen-, Kai- und Werftanlagen am Donauraum allein genügen würde, um den Vertragsentwurf in seiner jetzigen Gestalt als lebensgefährlich, als unvereinbar mit der Existenz eines freien, unabhängigen Oesterreichs erscheinen zu lassen.“

Nun wird zufolge der Moskauer Absprachen Oesterreich von diesen, wie auch anderen schweren Belastungen befreit.

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