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Jugend von links

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„Antwort eines jungen Sozialisten auf den Artikel ,Kulturkampf mit Frontbegradigung' “ betitelt sich in Nr. 6 der sozialistischen Monatsschrift „Die Zukunft“ ein Aufsatz, den in seiner letzterschienenen Folge das Zenrralorgan des Verbandes sozialistischer Studenten „D er Stro m“ veröffentlicht. Es ist nicht das erstemal, daß dieses Blatt in beachtlicher Weise zu wichtigen Angelegenheiten des Gemeinschaftslebens Stellung nimmt, und abermals flößt der Freimut, mit dem dies geschieht, Respekt und Hoffnung ein. Der Verfasser geht von der Debatte über das Verhältnis von Christentum und Sozialismus aus, in der auch „Die Furche“ zwischen den Veröffentlichungen sozialistischer Organe Stellung nahm: Es seien dabei „viele gute und fortschrittliche Ansichten“ zu finden gewesen, sagt der Artikel des „Strom“; leider zeige es sich heute bereits, „daß es auf.beiden Seiten nur einzelne mutige Stimmen gewesen sind, die es wagten, die in der Vergangenheit großgexüchteten Vorurteile abzustreifen und das gegenseitige VerhältÄs in positivem Sinne zu beeinflussen. Dem idealen Schwung junger Kräfte beginne sich auch auf diesem Gebiet die Ma-s der Reaktionäre entgegenzustellen, die die letzten Jahre scheinbar verschlafen haben und unbedingt dort weitermachen möchten, wo sie 1934, beziehungsweise 1938 aufzuhören gezwungen würden.“ — Und Erich Körner, der Verfasser, sagt es unmißverständlich heraus:

„Solange diese Spießbürger in unseren demokratischen Parteien noch entscheidend mitzureden haben, hat unser Volk die wahre demokratische Reife noch nicht erreicht.“

So erfrischend dies Wort ist, so erscheint es uns wichtiger, was der Artikler des „Strom“ zu dem meritorischen Teil der bisherigen Debatte sagt. Wiederholt mußte in der „Furche“ darauf verwiesen werden, man beseitige den unversöhnlichen Gegensatz zwischen Sozialismus und Christentum nicht durch eine Änderung der politischen Verkehrsformen, etwa eine Methode der eingezogenen Kralle mit dem deutlichen Hintergedanken, dadurch die angestrebte „Eroberung des Dorfes“, das heißt einen wahltaktischen Vorteil im Wege einer faktischen Täuschung der Wähler zu erreichen. Gewiß begrüßt man es auch in der christlichen Bevölkerung, wenn von drüben her die früheren Formen der politischen und weltanschaulichen Auseinandersetzung ur-banere Gestalt annehmen, aber das Wesen ist und bleibt doch der Entscheid über die Frage, ob der Sozialismus aus jenem wahrhaftig schon gründlich baufällig . gewordenen Dogmengebäude des Marxismus auswandert, an dessen Stirn die unverlöschliche Kriegsansage an das Christentum und jeden Gottesglauben prangt. Unser Versuch, die Auseinandersetzung an diese wesentliche Stelle zu führen und hier eine wohltätige Klärung zu erreichen, ist bisher unbeantwortet geblieben. Nun nimmt der „Strom“ das Gespräch auf. Mit Genugtuung hört man von dieser Seite die klare Erkenntnis formuliert:

„Es wäre der folgenschwerste Irrtum, zu glauben, nur aus .taktischen' Gründen eine duldsame Hakung gegenüber der Kirche einnehmen und nach Erlangungeiner sozialistischen Stimmenmehrheit den Kampf gegen diese fortsetzen zu können. Der lachende Erbe einer solchen beschränkten Politik wäre nur die kapitalistische Reaktion, der die Verständigungsversuche zwisdien Kirche und Sozialismus schon, heute schwere Sorgen bereiten. Ajs Sozialisten haben wir weder religiöse noch nationale Programme auszuführen, sondern unser ganzes Streben auf die Erkämpfung' besserer Leben-bed.inrungen für die werktätigen Klassen zu richten. Dazu haben wir — meiner Meinung nach — alle positiven Kräfte unseres Volkes aufzurufen, gleich welcher Konfession oder Rasse sie auch angehören mögen. Da wir als Demokraten eine Gewaltlösung ablehnen, wird der Erfolg unseres Strebens vor allem von der Aufrichtigkeit und Zielstrebigkeit unseres Wollcns abhängen.“ '

Dem mit einer Änderung des sozialistischen Kurses gar nicht einverstandenen Genossen Kurz, der in der „Zukunft“ über die „Frontbegradigung“ spöttelte, schreibt dann der junge Akademiker im „Strom“ einen hübschen Vers ins Stammbuch:

„Hier, lieber Genosse Kurz, sdaube ich, nun . in Gegensatz zu Deinen Ausführungen ,Ku-turkampf mit Frontbegradigungen' zu geraten. Du bezeichnest die zwischen den beiden großen Parteien getroffene Regelung über die Schulkreuzfrage als bestenfalls erfolgreichen Rückzug' unserer Parte!, ich hingegen ehe in ihr einen weiteren Schritt zur Verwirklichung unserer Demokratie. Denn Demokrat sein bedeutet für mich auch, Jeden nach seiner Fasson selig werden zu lassen'. Wenn sich die Mehrzahl einer Schul-klasse zur christlichen Religion bekennt, warum, um Gottes willen, soll dann nicht auch ihr Schulzimmer mit ihrem Glaubenssymbol geschmückt sein? Ich sehe auf diesem Gebiete heute überhaupt keine Zusammenhänge mit unseren parteipolitischen Bestrebungen mehr. Denn es ist wohl klar, daß sich unsere Partei nicht die Zerstörung der christlichen Religion, sondern die Zertrümmerung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zun. Ziel gesetzt hat. Ein anderes Programm wäre Wahnsinn.“

Diese klugen Wahrworte stehen in einem Studentenblatt, und ein Student hat sie geschrieben und kein Parteimächtiger. Aber es ist - eine Stimme aus den Reiheft der Kommenden. Man muß nur Geduld haben und darf nicht aufhören, das Gute zu wollen. Es ist schließlich doch stärker als aller Irrtum. f.

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