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Wie den Wahlkampf beschränken?

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Häufig wird bei Herannahen von Wahlen über Wahlübereinkommen gesprochen. Fast immer werden welche abgeschlossen. Und immer werden sie gebrochen. Ob man nun das Herunterreißen gegnerischer Plakate verbietet oder persönliche Verunglimpfungen — der Erfolg ist (wie die Vergangenheit gezeigt hat) sehr gering. Lediglich Versammlungsstörungen kommen selten vor, wobei die Frage offenhleibt, ob diese nicht auch ohne Wahlübereinkommen unterbleiben würden.

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Häufig wird bei Herannahen von Wahlen über Wahlübereinkommen gesprochen. Fast immer werden welche abgeschlossen. Und immer werden sie gebrochen. Ob man nun das Herunterreißen gegnerischer Plakate verbietet oder persönliche Verunglimpfungen — der Erfolg ist (wie die Vergangenheit gezeigt hat) sehr gering. Lediglich Versammlungsstörungen kommen selten vor, wobei die Frage offenhleibt, ob diese nicht auch ohne Wahlübereinkommen unterbleiben würden.

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Die Verfeinerung der Wahlkampfmethoden hat nun der Walhlkampf- beschränikung eine neue Rolle zugewiesen. Erstmals wird in diesem Herbst das Wahlübereinkommen nicht mehr als Selbstzweck, sondern ganz bewußt als Wahlikampfwaffe eingesetzt.

Anfang September offerierte die ÖVP durch den Mund ihres Vize- Generalsekretärs und Wählkampfleiters Pisa den Sozialisten ein Wahlkampfübereinkommen für die Nationalratswahl 1970. Die SPÖ konterte geschickt mit einer konkreten Einladung zu Gesprächen. Ebenso vorsichtig trat die Volkspartei auf die Bremse. Sie wies, darauf hin, daß 1966 das Übereinkommen erst knapp vor Beginn des offiziellen Wahlkampfes, nämlich im Jänner, abgeschlossen wurde.

Eine besondere Bedeutung kommt bei der Aktion „Wahlkampfübereinkommen als Propagandainstrument” den WaMkampfkosten zu, die bekanntlich sehr unpopulär sind. In der ÖVP sieht man hier aber bei konkreten Beschränkungen eine Falle der großen Oppositionspartei. Zwar beteuert man in der Kärntner- straße, daß man sicher nicht mehr, wahrscheinlich jedoch weniger Geld zur Verfügung hat als die SPÖ, doch weist man darauf hin, daß die Sozialisten schon bedeutende Summen in den 1. März 1970 investiert haben. An Hand konkreter Beispiele versucht man den Nachweis zu erbrjn- gen, daß die SPÖ den Wahlkampf 1970 gegen die Regierungspartei praktisch seit dem Oppositionsbeschluß permanent geführt hat. Gleichzeitig verweist man auf die mit Beginn der Herbstsaison einsetzende Vorwahlzeit, in der die Sozialisten neben der Pläkatierung auch eine gar nicht billige Insertion in Tages- und Wochenzeitungen gestartet haben.

Die ÖVP weist ihrer Meinung nach also einen „propagandistischen Rückstand” von dreieinhalb Jahren auf, denn man kann zugegebenermaßen kaum gleichzeitig regieren und wahlkämpfen, zumal der Gegner, die parlamentarische Minderheit, außerdem noch von der „Mitleidswelle”: getragen wird. Die Opposition bietet erst Angriffsflächen, wenn sie zur realistischen Alternative im Kampf um die Mehrheit wird.

Vielleicht liegt in diesem Umstand einer jener Gründe, die den für die Regierungspartei so ungünstigen Trend bei den letzten Regionalwahlen auagelöst haben.

Die Generalprobe für den Einsatz der Wahiiübereinkommen zur Beeinflussung der Öffentlichkeit fand anläßlich der herbstlichen Landtagswahlen statt. In Niederosterreich legten die Sozialisten offen Rechnung über ihre Wahlkampfausgaben. Die ÖVP konnte in dieser Kalkulation hur verhältnismäßig geringe.

Fehler entdecken. Allerdings fiel der niederösterreichischen ÖVP sehr rasch auf, daß die vielen Aktivitäten der SPÖ in der Vorwahlzeit — allein im Frühjahr dieses Jahres vier Plakate und Postwurfsendungen — in dieser Aufstellung fehlten.

Außerdem begingen die Sozialisten eine Ungeschicklichkeit. Šie rechneten ihre Wahlkampfkasten auf den Kopfaniteil der Mitglieder um. Damit gaben sie der ÖVP die Möglichkeit, ihre etiwa doppelt so hohe Ausgabenziffer ibeftflanntzugefeen und darauf hinzuweisen, daß die ÖPV in Niederösterreich mehr als doppelt so viele eingeschriebene Mitglieder besitzt als die SPÖ. Während auf das SP- Mitgiied 24 Schilling entfallen, macht dieser Betrag bei der ÖVP nur 20 Schilling aus.

Anders liefen die ergebnislosen Verhandlungen über ein Wahlübereinkommen in Vorarlberg. Die Sozialisten schlugen nämlich gemeinsame Wahlveranstaltungen vor, bei denen jede der im Landtag vertretenen Parteien — ÖVP, FPÖ und SPÖ — einen Redner stellen sollte. Das wurde von der Vorarlberger Volfcs- partei zurückgewiesen, weil diese Drdttelparität dem Wahlverhalten der Bevölkerung in keiner Weise entspricht. Man argwöhnte, daß damit die ÖPV lediglich Hörer in die Versammlungen bringen sollte, in denen ziwei Drittel der Zeit der Opposition gehören würden. Die ÖVP schlulg nun vor, bei diesen Veranstaltungen die gesamte Landesregierung auftreten zu lassen. Diese ist aber 5:1:1 zugunsten der Volkspartei besetzt. Das lehnten die beiden kleineren Parteien natürlich ab. Praktisch verwenden aber ÖVP und SPÖ das Argument, die jeweils andere Partei habe den Abschluß eines Wahlülbereinkommens abgelehnt.

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