1 Haushaltsplan für 27 Mitbewohner

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Alle sieben Jahre gibt sich die EU ein neues Budget, jedes Mal gibt es Streit. Doch noch nie waren die Verhandlungen so kompliziert wie heuer.

Auf den ersten Blick geht es um viel Geld: Zwischen 130 und 140 Milliarden Euro wird der EU-Haushalt im nächsten Jahr ausmachen.

Auf den zweiten Blick ist es gar nicht so viel: "140 Milliarden Euro im Jahr sind nicht einmal doppelt so viel wie der österreichische Haushalt“, rechnet Walter Grahammer, Botschafter an der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel beim FURCHE-Besuch vor.

Trotzdem wird erbittert darum gestritten, wie der gemeinsame Haushalt der 27 nächstes Jahr aussehen soll. Die Vorstellungen der EU-Institutionen gehen dabei weit auseinander: Das EU-Parlament geht mit dem Kommissionsvorschlag konform und will eine Erhöhung des Budgets um 6 Prozent auf 138 Milliarden Euro. Der Rat hingegen will nur um 2,8 Prozent aufstocken und fordert eine Begrenzung auf 133 Milliarden.

Politisches Kleingeld

Einzelne Mitgliedsstaaten wollen noch weniger: Großbritannien, die Niederlande und Schweden wollen die Zahlungen nicht einmal um die Inflationsrate ausgleichen. Erschwert werden die Verhandlungen dadurch, dass zusätzlich zum Budget für das nächste Jahr über den Finanzrahmen für die nächsten sieben Jahre entschieden werden soll. Beim EU-Gipfel am 22. und 23. November sollen die 27 Regierungschefs sich auf einen Haushalt bis 2020 einigen. Deshalb bringen sie sich jetzt in Stellung.

Auf den dritten Blick geht es daher auch um politisches Kleingeld in den einzelnen Staaten: Der britische Premierminister David Cameron steht nach einer Niederlage im Unterhaus - auch gegenüber Abgeordneten aus den eigenen Reihen - unter Druck, gegen jegliche Erhöhung des EU-Budgets ein Veto einzulegen. Auch der österreichische Vizekanzler Michael Spindelegger (VP) hat ein Veto angekündigt, wenn Österreichs Interessen in der Budget-Planung nicht genügend zur Geltung kommen. Adressanten dieser Drohung waren wohl weniger seine europäischen Verhandlungspartner als sein wichtigstes Wählerklientel: die Bauern.

Denn die Landwirtschaft wird bis 2020 weniger EU-Geld zur Verfügung haben als bisher. Mehr als 40 Prozent des gesamten EU-Budgets gehen in die Agrarförderung, deshalb ist dieses Feld besonders hart umkämpft. "Auch bei einem gekürzten Agrarbudget brauchen wir eine starke Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung“, sagt EU-Parlamentarierin Karin Kadenbach (SP), die im Agrarausschuss sitzt und auch in die Budgetverhandlungen eingebunden ist. "Darüber ist man sich in Österreich quer durch alle Fraktionen einig.“ Schließlich kommen zwei Drittel aller Agrarförderungen in Österreich aus diesem Topf. Anders sehen das Länder wie Frankreich, Deutschland oder Spanien, die vor allem von Förderungen für die Produktion profitieren.

Dazu kommt die neue Herausforderung, historisches Ungleichgewicht auszubalancieren: Weil sich die Direktzahlungen an den Produktionskosten im Land orientieren, haben die neuen Mitgliedsstaaten in der letzten Budgetperiode weniger Euro pro Hektar bekommen als andere. "Jetzt wollen sie, dass zusätzlich zu den Kürzungen diese Unterschiede eingeschliffen werden“, erklärt Kadenbach.

Wegweisende Entscheidung

Im Verteilungskampf ums Förderbudgets der EU - nur sechs Prozent des Geldes gehen in die Verwaltung - verläuft die Konfliktlinie zwischen jenen, die Förderungen erhalten, "Kohäsionsländern“ und jenen, die mehr zahlen, "Nettozahler“ oder "better situated countries“. Hannes Swoboda, Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Parlament beobachtet: "In allen Ländern gibt es die selbe schizophrene Forderung: Das Gesamtbudget soll kleiner werden. Aber für das, was wir brauchen, muss es mehr Geld geben.“

Auf den vierten Blick geht es beim Budget deshalb um eine grundlegende Frage: Wohin entwickelt sich die EU? Hin zu vertiefter Zusammenarbeit, politischer Verschränkung? Oder zur Wahrung von Partikularinteressen?

Dass sich die Regierungschefs nächste Woche tatsächlich auf einen Finanzrahmen einigen, ist zu bezweifeln. Wahrscheinlicher ist ein Verschieben auf nächstes Jahr. Ein gutes Zeichen wäre das aber nicht: "Es gibt Befürchtungen, dass ein Nicht-Eintscheiden auf die Märkte ausstrahlt“, sagt Grahammer. Der Betrag, über den zurzeit gestritten wird, entspricht unterm Strich übrigens 0,1 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU.

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