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Als Christen in der Partei

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Nicht war sie es schon darin, daß in ihrem Namen das Wort „christlich“ fehlte und auch darin, daß sie unter ihren Mandataren keine Priester mehr aufwies. Das waren zwei sehr bedeutsame Ausgangspunkte, auf denen eine Entwicklung aufbauen konnte. Diese Entwicklung aber brauchte Zeit. Denn im Bewußtsein breiter Bevölkerungsschichten hatte sich damit allein noch nicht allzuviel geändert. Die Männer, die an die Spitze der Partei traten, waren in den meisten Fällen jene, die 1938 in Gefängnisse und Lager gehen mußten. Die Masse des Wählervolkes stellten jene, die vor 1938 in der Vielfalt katholischer Organisationen groß geworden waren. Sie waren als Christen in der Partei und wer wollte es ihnen verargen, wenn sie meinten, ihre politische Haltung wäre eine Konsequenz ihrer religiösen Überzeugung, wenn sie die gleiche Konsequenz für alle Katholiken als selbstverständlich betrachteten.

Diese konservative Haltung des katholischen Milieus wurde durch jene verstärkt, die aus der katholischen Organisationen der Nachkriegszeit kamen. Nach einer Zeit einer allzu spdritualistischen Einstellung, die von Politik nichts wissen wollte, drang immer stärker der Ruf der Bischöfe an das Ohr dieser Jugend, sie möge ihre politische Verantwortung in einem demokratischen Staatswesen wahrnehmen. Niemand sagte, daß sie sich nur bei einer Partei politisch engagieren sollte, aber wie die Dinge nun einmal lagen, konnte kein Zweifel sein, wo sie angezogen wurden. Es gibt eine Anzahl von Mandataren und Funktionären der Volkspartei, die direkt von führenden Stellungen innerhalb der Katholischen Aktion in die Politik kamen und sehr wenige, die den Weg zur Sozialistischen Partei fanden.

Denn wenn sich auch dort, in der Sozialistischen Partei, einiges gewandelt hatte, war der Konservatismus dieser Partei nicht weniger stark als der ihres konservativen Gegenspielers. Man hat in der Zeit der Verfolgung die Kirche anders sehen gelernt, man verzichtete auf eine aktive atheistische Propaganda, in der Distanzierung der Kirche von der Parteipolitik aber sah man doch weitgehend eine Möglichkeit, parteitaktischen Gewinn zu ziehen, was man einer Partei schließlich aber auch nicht verwehren kann. Die große Masse des mittleren Parteikaders, groß geworden in den Kulturkampfjahren der Zwischenkriegs-zeit, war nach wie vor der Kirche gegenüber, wenn nicht ablehnend, so doch sehr distanziert.

„Milieu“ also hier wie dort, weitgehend beharrend in alten Vorstellungen. Wenn es nach den Vorstellungen eines katholischen Milieus gegangen wäre, zumindest hier bei uns, dann hätte es kein Konzil gegeben, keine Liturgiereform, keine ökumenische Bewegung, keine neue Theologie. Dann gäbe es aller Wahrscheinlichkeit nach auch keine neue Stellung der Kirche in Österreich der Politik und den Parteien gegenüber. Dieser neue Weg der Kirche in Österreich ist von wenigen beschritten worden, sie haben dafür nicht immer Dank geerntet. Daß sie sich heute vom Konzil bestätigt sehen, mag für sie eine Genugtuung sein, heißt aber noch nicht, daß sie sich von allen Katholiken des eigenen Volkes bestätigt wissen dürfen. Auch die Parteien haben einen solchen Weg genommen, auch hier sind wenige vorangeschritten, auch hier muß die Masse durch Aufklärung und Erziehung gewonnen werden.

Entwicklungen, auch im geistigen Raum, verlaufen niemals geradlinig, auch sie müssen mit Rückschlägen rechnen.

Rückschläge können auch aus einem Übereifer stammen. Die Enzyklika „Populorum progressio“ mag für viele, auch in Österreich ein Schock gewesen sein, die in der falschen Vorstellung aufwuchsen, das erste Gebot des Christentums laute: „Du sollst das Eigentum heilighalten.“ Dazu kommt, daß christliche Sozialisten in der begreiflichen Freude, aus der Enzyklika verwandte Gedankengänge herauszulesen, und aus der Lust an überspitzten Formulierungen mit dem Schlagwort: „Der Papst ist ein guter Sozialist!“ durch das Land zogen. In dieser Atmosphäre wurde jedes Gespräch zwischen Katholiken und Sozialisten als Aufweichung verdächtigt, jedes sozialistische Diskussionsangebot an ere Katholiken als reine Parteitaktik abgewertet. Die Erklärung von Generalsekretär Dr. Withalm kam zur rechten Zeit. Sie hat wieder Klarheit gebracht. Das hat nicht irgendwer gesagt, kein „Linkskatholik“. Der verantwortliche Generalsekretär einer Partei hat sich damit von Vorstellungen getrennt, für die heute kein Platz mehr ist. Die Partei wird es ihm in Zukunft danken; die Katholiken, ob sie nun in einer Partei stehen oder in keiner, sollten ihm heute schon dafür danken.

Wir können uns daher weitgehend seiner Formulierungen bedienen, wenn wir hier abschließend feststellen:

Es gibt kein Monopol einer Partei auf die Kirche und kein Monopol der Kirche in einer Partei. Es gibt auch kein Meinungsmonopol unter den Katholiken. Es können

Katholiken mit sehr vielen guten Gründen der einen oder der anderen Partei anhangen. Wer immer sich als Katholik politisch engagiert — und es sollte sich in einer Demokratie jeder politisch engagieren —, soll wissen, daß er das Recht der politischen Meinungsäußerung, das er in Anspruch nimmt, auch dem Katholiken nicht verweigern darf, der sich politisch anders entscheidet. Es gibt keinen politischen Integralismus der österreichischen Katholiken. Ist das eine Absage an den sogenannten politischen Katholizismus? Withalm: „Wohl ja. Die Kirche und der christliche Glaube sind kein parteipolitisches Argument, sondern maßgebliche Richtlinie und durch Taten zu beweisende Überzeugung für denjenigen, der an sie g'laubt.“

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