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Kreuz und Fahne

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Zu den Erklärungen des Generalsekretärs der ÖVP über das Verhältnis von Partei und Kirche

Man soll die Hoffnung nie aufgeben, auch in Österreich nicht. In einem Land, in dem sich die Linke revolutionären Schwung von einer „Rückkehr zu den Vätern“ verspricht, sind auch Denkvorgänge konserviert, in bestimmte Bahnen fixiert, aus denen auszubrechen nur ganz wenigen gelingt. Wenn ein solcher Durchbruch aber gelingt, dann muß man diese Tatsache feststellen, da muß man auch den Mann preisen und anerkennen, dem solches gelang.

Der Generalsekretär der ÖVP, Dr. Hermann Withalm, hat in einer Stellungnahme zum Verhältnis von Politik und Kirche, von Partei und Kirche eine für österreichische Verhältnisse geradezu archimedische Leistung vollbracht, indem er sich als Katholik und als Parteimann auf jenen Standpunkt stellte, von dem aus allein der Hebel zur Lösung dieser Frage angesetzt werden kann. Das, was er sagte, war logisch und war theoretisch auch nichts grundsätzlich Neues. Aber das Logische ist in Österreich noch lange nicht das Selbstverständliche, und das theoretisch Richtige stand bisher in Österreich vor allem auch in der Politik und bei den Politikern nicht allzu hoch in Kurs. Withalm hat mit dieser Erklärung wieder einmal das bewiesen, was die Österreicher, auch wenn sie nicht seine Parteifreunde sind, an ihm schätzen: Nüchternheit, Klarheit, Realismus und den Mut, über manche Schatten zu springen und manchen Gespenstern ihre Kerzen auszublasen.

Klare Absage an den „politischen Katholizismus“

Hermann Withalm hat als Generalsekretär der ÖVP dem politischen Katholizismus eine klare Absage erteilt. „Die Kirche und der christliche Glaube sind kein parteipolitisches Argument, sondern maßgebliche Richtlinie und durch Taten zu beweisende Überzeugung für denjenigen, der an sie glaubt“, sagte er in einem Interview mit der „Wiener Kirchenzeitung“.

Ja, ist das nicht logisch, ist das nicht selbstverständlich wird mancher fragen? War das nicht schon allgemeine Überzeugung in Österreich seit 1945, stand das nicht alles schon im Mariazeller Manifest des Katholikentages 1952? Ja und nein kann man darauf nur auf österreichisch antworten. Wenn man von jenen absieht, für die es nur einen Katholizismus, nämlich den politischen Katholizismus gab, so waren Stimmen, die eine Repolitisierung der Kirche forderten, ein neues, volles politisches Engagement der Kirche in der Tagespolitik, in der Öffentlichkeit, zumindest gewiß selten zu hören. Dem Weg der Kirche seit 1945 wurde kaum offen widersprochen. Um so stärker aber waren gewisse unterschwellige Strömungen, die auch nicht vor Verunglimpfungen und Rufmord zurückscheuten. Wer den neuen Kurs der Kirche in Österreich zu vertreten suchte, der ja nicht ein Kurs der politischen Abstinenz oder der parteipolitischen „Äquidistanz“ war (auch dies ein Wort politischer Verfälschung), sondern der Versuch, an die Stelle eines politischen Pauschalurteiles Nuancierung und Differenzierung treten zu lassen, wurde als „Linkskatholik“ abgestempelt, als „Neutralist“, als gefährlicher Verwirrer und Zerstörer einer politischweltanschaulichen Einheit verdächtigt.

Man darf für solche Verdächtigungen gewiß nicht nur die ÖVP verantwortlich machen, zumal diese Vorwürfe auch vor solchen nicht Halt machten, die der Partei selbst nahestanden. Diese Vorwürfe stammten ebenso aus gewissen Kreisen eines katholischen Milieus. Denn es ist ja nicht so in Österreich, daß mit den Generationen auch gewisse Denkschemata aussterben, im Gegenteil, sie vererben sich mit den Generationen weiter, auch wenn man ihre Ursprünge nicht mehr erkennt. Die beiden politischen Hauptgruppen in Österreich werden heute wie eh und je die „Roten“ und die „Schwarzen“ genannt. Warum die Sozialisten die Roten heißen, ist einleuchtend, man sieht es ja schon an ihren Fahnen. Warum aber heißen die Schwarzen die Schwarzen? Wer weiß heute noch, daß diese Bezeichnung von den schwarzen Soutanen der Geistlichen herrührt, die einmal die Propagandisten einer neuen kleinbürgerlichen Partei waren, die unter christlichem Vorzeichen gegen Kapitalismus, Liberalismus und Sozialismus kämpfte? Der Beiname „die Schwarzen“ vererbte sich nach 1945 auch auf die Volkspartei, die in vielem, wenngleich nicht in allem Nachfolgerin der Christlichsozialen war.

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