Wahlen und Demokratie - © Foto: iStock/smartboy10 (Bildbearbeitung: Rainer Messerklinger)

Demokratie in der Krise: Wie weiter nach Corona?

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Die repräsentative Demokratie hat innere und äußere Feinde. Demokratische Politik gleicht nicht erst seit Corona einem Reparaturbetrieb. Was können wir in dieser Situation von China, Singapur und der Schweiz lernen?

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Die repräsentative Demokratie hat innere und äußere Feinde. Demokratische Politik gleicht nicht erst seit Corona einem Reparaturbetrieb. Was können wir in dieser Situation von China, Singapur und der Schweiz lernen?

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Berühmte Zitate prägen das kollektive Bewusstsein und werden nicht selten zu unhinterfragten Argumenten. Ein solches Zitat ist Winston Churchills „Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen.“ So richtig dieser Satz scheint, so falsch war er von Anfang an. Denn niemand kann wissen, wie schlecht alle anderen denkbaren Staatsformen samt deren Variationen sein würden. Der Fehler liegt jedoch nicht bei Churchill. Vollständig zitiert zeigt sich dessen Vorsicht und Zurückhaltung: „Die Demokratie ist die schlechteste Staatsform, außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ Für ihn war die Demokratie nicht für alle Zeiten die beste aller Herrschaftsformen, sondern eben nur die beste der bisher erprobten.

Laut dem 2020 veröffentlichten Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung findet in immer mehr Demokratien wie etwa Polen, Ungarn oder Indien eine schleichende Erosion der Rechtsstaatlichkeit und politischen Freiheiten statt. Wesentliche Ursachen sind Sicherung der bestehenden Machtverhältnisse und Vetternwirtschaft, die Ungleichheit verstärken und zur Spaltung der Gesellschaft beitragen. Corona drohe diese Entwicklungen zu beschleunigen.

Praxis des Durchwurschtelns

Der Soziologe Helmut Willke meint, dass die Entzauberung der Demokratie als Herrschaftsform durch die globale Finanzkrise sowie die sich verschärfende ökologische Krise inzwischen eine systemgefährdende Qualität erreicht hat und angesichts komplexer und unübersichtlicher Verhältnisse nicht mehr gut genug ist. Zudem sei das chinesische Modell politischer Steuerung aufgrund seiner in Teilbereichen höheren Effizienz und Effektivität zur ernsthaften Konkurrenz erwachsen. China habe genau dort Stärken, wo die Demokratie ihre Schwächen hat. Es zeichne sich durch einen hohen Grad an Lernfähigkeit und Strategiefähigkeit aus. Die Demokratie hingegen sei aufgrund ihrer periodischen Wahlen vom mangelnden Einschätzungsvermögen und Wissen der Mehrheit sowie einer kurzfristigen Politik geprägt, die Symptombehandlung statt Ursachenbekämpfung betreibe. Das im Nachhinein stattfindende Lernen sei nicht auf plötzliche und einschneidende Ereignisse und Umbrüche wie etwa ein Virus angelegt. In diesem Sinne beschrieb Charles Lindblom 1959 Demokratie als „The Science of Muddling Through“, die Fähigkeit sich durchzuwurschteln.

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