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Graz und Burgenland

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Eine Einparteienregierung, die in einer Zeit der Krise — mag es sich um eine politische oder wirtschaftliche handeln — Wahlen durchzustehen hat, befindet sich immer in einer mißlichen Lage. Allgemeine Krisenzeichen, für die die betreffende Partei oft gar nichts dafür kann, werden ihr natürlich von der Opposition dennoch zur Last gelegt. Typische Beispiele für diese Tatsachen sind die Wahlen in Großbritannien und in Österreich, die innerhalb der letzten zwei Jahre stattfanden. Die Labour- Regierung verlor fast jede Wahl und ebenso verlor die österreichische Volkspartei jede Wahl, die sie nach dem siegreichen März 1966 durchzustehen hatte. Über der Welt hängt eine Krise, die bisher von der Allgemeinheit noch zu wenig zur Kenntnis genommen wurde, die zu bekämpfen und zu meistern aber jede Regierung verpflichtet ist. Eine Bekämpfung solcher Krisen kann nur durch unpopuläre Maßnahmen geschehen. Unpopuläre Maßnahmen müssen natürlich die Wähler treffen und bei ihnen Mißstimmung erzeugen. Der Wahlzettel ist das legale Ventil, mit dem sie ihre Mißstimmung ausdrücken können und der herrschenden Partei ihre Rechnung präsentieren. Würde heute die SPÖ in Österreich allein regieren, so würde ihr wahrscheinlich bei allen Wahlen das gleiche Schicksal beschie- den sein wie nun der ÖVP.

Darüber hinaus zeigten die Wahlen in Graz und im Burgenland noch zwei weitere Symptome, die sich schon seit längerer Zeit heraus- kristallisieren: Die Wahlen in Österreich werden immer mehr Persönlichkeitswahlen und immer weniger Wahlen einer Partei. Dies ist nur zu begreiflich, da die starken Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien, wie sie bis 1932 bestanden, langsam schwinden. In vielen Angelegenheiten des öffentlichen Lebens vertreten die beiden Parteien Standpunkte, die sich einander sehr ähneln. Somit bleibt dem Wähler wirklich keine andere Wahl, als nicht so sehr Parteien, wie Persönlichkeiten zu wählen. In Graz sowohl wie im Burgenland hatte die Sozialistische Partei das Glück, zwei ausgezeichnete Spitzenfunktionäre in den Wahlkampf senden zu können, denen nicht ähnlich profilierte Persönlichkeiten der Volkspartei gegenüberstanden. Dabei mußte die Volkspartei von diesem Trend wissen, denn sie selbst hatte in den letzten Jahren mit Figl, Raab, Gleißner und Krainer solche Wahlen gewonnen. Diese Persönlichkeiten erschienen nicht nur als scharf profiliert, sondern erweckten auch viele Sympathien bei den Österreichern. Dieses Potential des Charmes sollte deshalb niemals vergessen werden.

Bei den beiden Wahlen zeigte sich auch wieder, daß die neuen Jungwähler, die zum erstenmal zur Urne gehen, entscheidend für den Ausgang einer Wahl sein können. Der Österreicher ist im allgemeinen auch in seiner Anhänglichkeit an seine Partei ein Konservativer. Die Partei,

die er einmal gewählt hat, wählt er fast immer wieder, auch wenn er noch so unzufrieden mit ihr ist. Den Jungwähler, der zum erstenmal zur Urne geht, zu gewinnen, ist von einer enormen Wichtigkeit. Denn wahrscheinlich wird er der Partei, die er das erste Mal wählt, sein Leben lang treu bleiben. Und jene Partei wird den jungen Wähler gewinnen, die ihm mehr Chancen für sein Leben zu bieten scheint. Burgenland ist ein typisches Beispiel dafür. Die ÖVP konnte mit sehr geringen Verlusten ihre alten Wähler bei der Stange halten. Es gelang ihr aber nicht, die Jungwähler zu sich herüberzuziehen.

Natürlich spielte auch die Politik der Bundesregierung in die Wahlen hinein. Und es ist heute leicht zu sagen, daß sie die Ursache des Sieges oder der Niederlage war. Der Verlierende sucht vor allen Dingen immer gerne einen Prügelknaben und ist nur zu leicht bereit, die Fehler nicht in der eigenen Umgebung zu sehen, sondern eben einer anderen Instanz die Schuld zu geben. Aber die Politik der Regierung in erster Linie für eine Wahlniederlage verantwortlich zu machen, geht denn doch etwas zu weit.

Im übrigen zeigt sich auch bei dieser Wahl wieder der Trend der letzten Wahlen: Die FPÖ wird immer kleiner und ihre Stimmen gehen fast ausnahmslos zur SPÖ. Das alte Schlagwort, lieber Rot als Schwarz, hat in jenem Lager noch immer seine Gültigkeit

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