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Ordnung in die Phantasie

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Wien darf sich glücklich schätzen, zur Zeit zwei sehr bedeutende Architektur-Ausstellungen ; zu beherbergen: die große Le-Corbusier-Ausstellung in, der; Akademie der Bildenden Künste und die Konrad-Wachsmann- Ausstellung '„Baüe)i' in unserer. Zeit“ in der Galerie WürthTe. Zugleich markieren die beiden Persönlichkeiten Le Corbusier und Wachs-, mann die ganze Weite der Architektur des 20. Jahrhunderts. So entgegengesetzt ihre Arbeiten irrt Ergebnis sein mögen, so verwandt ist ihre Zielsetzung: im Zeitalter der Industrialisierung zu neuen, gültigen Lösungen für das Bauen zu kommen. Le, Corbusier üat das Wort von der „Wohnmaschine“ geprägt. Aber erst Konrad Wachsmann hat diesen Begriff entromantisiert und ganz verwirklicht. Zuerst mag das Wort „Wohnmaschine“ erschrecken. Der Mensch soll in einer Maschine wohnen? Was ist wirklich damit gemeint? Gemeint ist, daß eine Wohnung „funktionieren“ soll wie eine Schreibmaschine, daß sie dieselbe Präzision wie ein Uhrwerk haben und nicht irgendwie zusammengestümpert upd zusammengeschustert werden so\V. Daß sie rationell in der Herstellung und praktisch im Gebrauch sein, daß sie also dem Menschen Zeit, Arbeits- und Nervenkraft sparen soll.

Hier setzte das Denken Konrad, Wachsmanns an. Die Maschine diente nur dem schnelleren, nicht dem bessere Bauen. Der Quantität, nicht der Qualität. Das Bürohaus, das Wohnhaus, die große Halle blieben zurück hinter den Ergebnissen, die für Auto und Flugzeug gefunden wurden. Dies mußte anders werden. Der Eiffelturm mit seiner durchsichtigen Schönheit wies den Weg. Woher kam die Schönheit des Eiffelturms? Aus der Addition kleiner gleicher Teile, Streben und Gelenke. Es ist eine Schönheit des Gleichmaßes, der Wiederholung, der Konstruktion. Etwas, was in früheren Jahrhunderten nur mit ungeheuren Mitteln und großer Schwerfälligkeit möglich gewesen wäre — einen Turm von der Höhe des Eiffelturms zu bauen —, schien auf einmal leicht und selbstverständlich geworden. Die Schönheit des Eiffelturms liegt in seiner Leichtig-, seiner Luftigkeit.

Konrad Wachsmann geht es um die vollständige Industrialisierung des Bauens. Das Bauen soll sich von konventionellen Vorstellungen lösen, soll Teamwork, soll wieder anonym werden. — Ist es das Verdienst Le Corbusiers, mit der tragenden Funktion der Wände gebrochen und seine Häuser von Anfang an auf wenige Stützen gestellt zu haben, so ist es das Verdienst Wachsmanns, noch einen Schritt weitergegangen iu sein, und auch mit den Stützen gebrochen zu haben. Er fand eine Hausstruktur, die zur Auflösung der Stütze in ein Raumgewebe führt. t&tsefelMr das N.if!;ai*-.ytir8jft K8nta*.Wch1&-J itaim* 4tlz-usammi}.J .., —i„ 4.*„

1. Das Interesse des Architekten ist nicht mehr auf das Endprodukt — das fertige Bauwerk — gerichtet, sondern auf den Ausgangspunkt. Er beschäftigt sich mit den kleinsten Details, den Konstruktionselementen, der Art ihrer Zusammensetzbarkeit und Verwen-

düng. Er versucht eine Ausgangsbasis für unendlich viele Möglichkeiten zu schaffen. Bauen geschieht durch Multiplikation, durch Wiederholung des ,;Nucleu,S“.. ■ . .

2. Der Konstrukteur tritt an die Stelle des Architekten. Der Baumeister ist Forscher, nicht Künstler.

3. Die. schöpferischen Möglichkeiten des 20. lahr-hünderts liegen auf technologischer, nicht auf ästhetischer Basis.

4. Die Maschine erreicht eine Präzision und Leistung, die mit der Hand nicht zu erlangen sind. Daher rechnet der Konstrukteur von vornherein mit dem, was mit und durch eine Maschine möglich ist.

5. Das Bauen wird ein empirischer Vorgang. Der Konstrukteur lernt das durch die entwickelten Kon-struktionselemente möglich Gewordene zu verwirklichen. Eine neue Ordnung wird in die Phantasie des Renschen gebracht.

Konrad Wachsmann hat im Sommer 19 56 und im Sommer 1957 auf Einladung von Friedrich Welz das

Seminar für Architektur an der „Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst“ in Salzburg geleitet. Friedrich Welz regte nun an, daß die in der

die, JPraxi,8,Hmgesetzt i&v4ßn SQÜiazuyfärfcnd/* Gründung eines „Forschungsinstituts zur Industrialisierung des Bauens“ — mit dem Sitz in Salzburg — sehr zu begrüßen. Vielleicht interessiert sich unsere Bauindustrie dafür? Eine geistige Blutauffrischung täte ihr gewiß gut.

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