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Romantische Moderne

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Die Galerie N e u m a r k (Kinsky-Palais, Freyung) zeigt in diesem Monat mit Lichtbildern, Plänen und Skizzen einen Ausschnitt aus dem Schaffen Clemens Holzmeisters; er soll eine kleine Vorschau darstellen für eine größere Ausstellung in der Akademie, der man mit großem Interesse entgegensieht.

Holzmeister gehört zu den heute gewiß seltenen Architekten, die keiner Aufgabe aus dem Weg gehen und jede in bedeutsamer Weise lösen wissen. Er bat in Österreich und im Rheinland wunderbare kleine Dorfkirchen gebaut, und er errichtet jetzt in Brasilien eine Kathedrale, die 12.000 Personen fassen soll, er hat in Ankara ganze Regierungsviertel uni in den Alpen Gasthöfe, hier Schulen und dort Denkmäler entworfen. Stets gelang es ihm, seine Eigenart, sein Persönliches zu wahren, ahne sich, wie viele seiner Zeitgenossen, schließlich in charakterlosen Kön- struktionsschematismen zu verlieren.

Clemens Holzmeister ist in jedem Sinn ein österreichischer Architekt. Obwohl er jahrelang Assistent Ferstels war — daher wohl seine Vertrautheit mit den Problemen des Kirchenbaues —, heißen seine eigentlichen Lehrmeister eher Olbrich, Wagner,

Loos, Hofmann. Das sind jene Männer, die zum ersten Male seit der großen Zeit der Hildebrandt und Fischer von Erlach in den Jahren der Sezession und der Nachsezession eine eigenständige österreichische Baukunst entwickelt haben, deren Einflüsse sich weit jenseits der Grenzen der Monarchie und der ersten Republik noch geltend machten. Clemens Holzmeister hat ihr Erbe angetreten und ist ohne Zweifel einer der bedeutendsten Köpfe dieser Wiener Architekturschule überhaupt.

Sie gehört, ähnlich wie eine neuere schwedische Baukunst oder die freilich ganz anders gearteten Bauten des Amerikaners Wright, jener starken Richtung der Architektur unserer Zeit an, die man mit einiger Einschränkung als romantische bezeichnen kann. Romantisch, ein Wort nebstbei, das von Elektrikern und Sachlichkeitsaposteln sehr ungerechtfertigt um seinen guten Ruf gebracht wurde, ist sie wenigstens im Vergleich zu jenen anderen amerikanischen oder romanischen Schulen, Le Corbusiers etwa, die einem Gebäude lediglich Funktionswert zuschreiben und den Architekten durch den Ingenieur ersetzt haben wollen. Romantisch ist sie, weil sie von einem Bauwerk verlangt, daß es nicht bloß zweckmäßig, hygienisch und modernistisch sei, sondern überdies den Beschauer oder Bewohner beeindrucke, ihn erhebe, zur Heiterkeit stimme, ihm das Gefühl des Schutzes vermittle, kurz, daß es in ihm ästhetische oder auch moralische Reaktionen auslöse. Romantisch schließlich ist sie, weil sie auf die Beschaffenheit des Ortes und der Umgebung Rücksicht nimmt, weil sie eines durchaus ernsten Pathos fähig Ist und ihren Werken, wo immer es nur möglich und angängig ist, Symbolcharakter zu verleihen trachtet.

Freilich ist diese romantische Grundlage im Schaffen Holzmeisters, wie sie beispielsweise im Bühnenhaustrakt des Salzburger Festspielhauses klar und schön zutage tritt, innig gepaart mit dem Verständnis für die Werte und Reize des Materials, einem Gefühl für Formen, die bei aller Abgewogenheit doch’ stets auch vom Zweck bedingt sind. An ihnen findet er die Widerstände, die bisweilen notwendig zu sein scheinen, damit Kühnheiten nicht den kurzen Schritt zu Bizarrerien tun.-

Diese wenigen Worte mögen genügen, um die künstlerische Persönlichkeit dieses österreichischen Architekten zu skizzieren. Über seine Werke wird anläßlich der Ausstellung in der Akademie, hoffentlich bald, mehr zu sagen sein.

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