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Geistliche Gewänder — nicht so geistlich

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Nicht erst in unserer Zeit führt man Gründe gegen die Priesterkleidung ins Feld. Nur kennt man heute meist pastorale Gründe, während sie in der Reformationszeit kontroverstheologischer Art waren. Wohl bei allen Versuchen, die Priesterkleidung abzulegen, spielte der Wunsch nach Anpassung eine Rolle. Die Priesterkleidung ist noch nicht so lange, wie wir vielleicht annehmen, eine Standeskleidung mit uniformem Charakter. Das Buch „Priester- und Gelehrtenkleidung“ von Martha Bringemeier, als Beiheft der „Rheinisch-Westfälischen Zeitschrift für Volkskunde“ in Münster/Westfalen erschienen, enthält die Geschichte der Priesterkleidung und zeigt, daß sie aus der vom Altertum an bis zur Neuzeit üblichen Zivilkleidung hervorging.

Die Sutane hat sich entwickelt aus der ehemaligen Tunika, die als Untergewand unter Toga und Pallium von Männern und Frauen aller Stände und sozialen Schichten getragen wurde. Sie war ein Schlupfgewand mit Durchlaß für den Kopf Schlitzen für die Arme und fiel geschlossen von den Schultern nieder. Nur für den Gebrauch beim Gottesdienst ergab sich mit der Zeit eine liturgische Kleidung, bei der die Tunika ebenfalls als Untergewand — wie die heutige Albe — diente. Aus dem spanischen Namen subta für Subtunika entstand die Bezeichnung „Sutane“.

Alle Kleidung beruhte auf der

Grundform der Tunika, und diese Tunika wurde im Laufe der Zeit zum klerikalen Gewand außerhalb des Gottesdienstes. Sooft man die weltliche Kleidung, vor allem die Hofkleidung, prunkvoller gestaltete, mahnte die Kirche ihre Priester zur Einfachheit in der Kleidung und verbot ihnen, die neue weltliche Kleidung zu tragen. Einschlägige kirchliche Verlautbarungen datieren von 692; auch eine Synode unter Papst Zacharias erließ um 750 Vorschriften. Im Anhang des Buches von Martha Bringemeier sind solche Beschlüsse von Konzilien und Synoden der Diözese Münster abgedruckt. Das geistliche Kleid verlieh besonderen Rechtsschutz, zumal es dem Geistlichen zu allen Zeiten verboten war, wie Ritter oder Studenten Waffen zu tragen.

Verbote und Kleidervorschriften gab es für die Geistlichen, als im 13. Jahrhundert die Schleppkleider mit ihrer Pracht aufkamen. Geistliche durften keine roten und grünen Kleider tragen. An der Pariser Universität trugen die Ordensleute eine schwarze Cappa, eine glockenähnliche Supertunika, aus der sich die Gelehrtenkleidung entwickelte. Auch die Ritterkleidung war den Geistlichen verboten. Doch alle diese Vorschriften intendierten kein eigenes geistliches Gewand, sondern forderten nur die Einfachheit der Kleidung.

Im ausgehenden Mittelalter trugen alle Akademiker die einfache klerikale Kleidung, die dadurch zur Gelehrtenkleidung wurde und durchaus der allgemeinen Kleidung der Zeit in Festkleidung und Alltagskleidung entsprach. Formen und Farben waren nach Fakultäten verschieden. Die Kleidung der Sorbonne — geschlossene Tunika — war maßgebend für Deutschland. Von der Mitte des

14. Jahrhunderts an änderte der Einfluß der höfischen Kleidung die allgemeine Kleidungsweise, die Kleidung drückte das neue Lebensgefühl aus und betonte den Körper. Die Gelehrten behielten die Tunikakleidung bei.

Reaktion auf dieses neue Lebensgefühl kam von den Bettelorden, die Verzicht predigten und die Kleidung als unwichtig ansahen. Die Reformatoren zogen daraus die Konsequenz, daß sie die liturgische Kleidung abschafften. Alle diese Richtungen protestierten gegen Unsittlichkeit in der Kleidung und gegen den Luxus.

Wachsender Handel brachte Geld und Wohlstand, was sich in der üppigen Kleidung ausdrückte. Universitäten und Kirche führten den Kampf gegen diese Kleidung und schrieben den Studenten, Magistern und Doktoren sowie allen Theologen die übliche geschlossene Tunika vor.

So blieb es bis zum Ende des

15. Jahrhunderts, als sich die neue bürgerliche Kleidung durchsetzte. Uber dem kurzen Wams trug man einen Oberrock aus Brokat oder Samt. Er war vorn offen und hatte einen festen Mantelkragen statt einer Kapuze, wie wir es auf Dürers

Selbstbildnissen sehen. Die Reformatoren übernahmen diese Kleidung als Dienstkleidung. Aus dem Oberrock — der Schaube — wurde der Talar, Luther- oder Doktorrock genannt, weil er nach und nach zur neuen Gelehrtenkleidung wurde. Ursprünglich war der Talar ein Protest gegen die katholische Lehre von der Messe und vom Priestertum.

Interessant ist es, zu sehen, wo sich der Talar durchsetzte und wo die traditionelle^ Priesterkleidung auf den Universitäten zunächst bestehen blieb, nämlich in Frankreich und Spanien sowie in Italien, auch im Süden Deutschlands und in England. Die protestantischen Universitäten kleideten sich nach Laienart, für katholische Theologen blieben die Vorschriften des Tridentinums bestehen. Den katholischen Theologen war von jetzt an die Laienkleidung verboten, weil sie ein Bekenntnis zur Reformation geworden war. Die schwarze Farbe setzte sich bei Geistlichen aller Konfessionen und im Bürgertum durch. Konfessionelle Unterschiede zeigte die Halsbekleidung: die Protestanten übernahmen die Halskrause der weltlichen Kleidung, die Katholiken behielten das Kollar bei.

Während des Dreißigjährigen Krieges begann der Einfluß der militärischen Kleidung, die sich zur Uniform hin entwickelte; die Offiziersuniform begann ihren Vormarsch. Besondere Liebe zur Uniform zeigten die Studenten. Für die Priester brachte das neue Verbote. Doch konnte der Einfluß nicht ganz ausgeschaltet werden. Französisches Vorbild wirkte sich vor und nach der Französischen Revolution aus. Die lange Hose setzte sich durch, ebenso wie der Offiziersrock.

Verpflichtend für katholische Geistliche blieb als außerliturgische Kleidung die Sutane, die allerdings jetzt nach Maß gearbeitet war. Erlaubt war in Deutschland die Soutanelle, die die Mitte zwischen Gehrock und Sutane hielt. Seit etwa 1938 wird auch die Jacke toleriert. Die strengen Vorschriften lockerten sich nach dem Ersten Weltkrieg mehr und mehr, und heute sind die katholischen Priester dabei, ihre außerliturgische Kleidung der allgemeinen Kleidungsweise mehr anzupassen, hoffentlich ohne das wichtige Anliegen vieler Jahrhunderte, die Einfachheit, zu vergessen.

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