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Paradiesvögel in Aufruhr

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Die Flagge mit dem Emblem eines Paradiesvogels auf einer Kundu-trommel und einem Zeremonien-Speer wehte bereits am 1. September 1973 über Port Moresby, als Australien den 2,5 Millionen Papuas die interne Selbstverwaltung gewährte. Ein heute erst 39 Jahre alter ExJournalist, Michael E. Somare, fungierte als Ministerpräsident. Er behielt diesen Posten auch nach der Erlangung der vollen Unabhängigkeit am 6. September des vergangenen Jahres.

Schon damals gab es einen Sezessionsversuch unter der Führung des Parlamentsmitglieds Josephine

Abaijah, heute 34, in Bereina, 80 Meilen westlich der Hauptstadt, wo die Dame am 1. Dezember 1973 ebenfalls eine blaue Staatsfahne hissen ließ. Weder Canberra noch Port Moresby hatten etwas dagegen unternommen.

Der Grund für die Aktion der Frau Abaijah liegt darin, daß es auch in diesem neuen Staat Papua-Niu-Gini, wie er heute offiziell heißt, einen Nord-Süd-Gegensatz gibt. Der Norden, früher deutsche Kolonie und Kaiser-Wilhelm-Land genannt, dann australisches Treuhandgebiet Neuguinea, ist etwas ganz anderes als der Süden, die ehemalige australische Kolonie Papua, wo die Einwohner australische Staatsbürger waren. Deshalb fordert Abaijah die Trennung Papuas von Neuguinea.

Wie fast in allen Ex-Kolonien ist eine „Nation“ so gut wie nicht vorhanden. Im fraglichen Gebiet gibt es zumindest 1000 Stämme und 700 Dialekte.

Somare hat nun alle Hände voll zu tun, nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpolitisch. Indonesien, das Irian Jaya, früher West-Irian, den westlichen Teil dieser zweitgrößten Insel der Welt, besitzt, hat schon 1975 ein Ultimatum an die Adresse von Port Moresby, gleich nach dessen Unabhängigkeit, gesandt, mit der Aufforderung, jegliche Unterstützung für die Befreiungsbewegung in Westpapua bis zum 15. November 1975 einzustellen und die Grenze hermetisch zu sperren, damit die anti-indonesischen Papua-Guerilleros keine Hilfe von außen bekämen.

Noch unter Sukarno hatte Jakarta gelegentliche Invasionen von Fall-

schirmjägern und Marinesoldaten gegen Westpapua, damals noch Nie-derländisch-Neuguinea, unternommen. Um dem entgegenzutreten, planten die Niederlande und Australien bereits 1959, einen Papua-Staat oder eine Melanesische Föderation ins Leben zu rufen; doch der Druck Washingtons war stärker, West-Irian wurde am 1. Oktober 1962 zuerst formell an die UNTEA, die provisorische Exekutivbehörde der UNO, übergeben, die ihrerseits am 1. Mai 1963 die Souveränität über die Westhälfte der Insel an Indonesien unter der Bedingung übertrug, daß bis Ende 1969 eine Volksabstimmung stattfinden sollte.

Das Referendum, das Indonesien dann durchführte, war eine Farce. Von 1,6 Millionen Papuanem wurde nur 1025 Personen, zumeist unter Druck gesetzten Häuptlingen, erlaubt, ihre Stimme, natürlich zu Gunsten Jakartas, abzugeben. Ein Antrag Ghanas in der UN-Vollversammlung, der von 14 schwarzafrikanischen und karibischen Staaten unterstützt wurde, im Jahre 1975 in Westpapua ein- Plebiszit abzuhalten, konnte sich nicht durchsetzen. Die Weltorganisation ignorierte wieder einmal das Selbstbestimmungsrecht der Völker.

Seit 1969 gab es dann auch eine bewaffnete organisierte Befreiungsbewegung. Am 1. Juli 1971 wurde eine Provisorische Regierung der Republik Westpapua ausgerufen und Freiheit für das Land „von Numbay bis Merauke, von Sorong bis Baliem (Star Mountains), von Biak bis zur Insel Adi“ gefordert.

Präsident Suharto hatte mittlerweile eingesehen, daß das Problem durch eine militärische Konfrontation allein nicht gelöst werden konnte. West-Neuguinea ist weder Ambon noch Osttimor. Im Dezember 1974 und im März 1975 fanden daher geheime Verhandlungen zwischen Rumkorem (er verließ sein Gebiet in Westpapua für einige Zeit), der damals noch autonomen Regierung Ostpapua-Neuguineas und Vertretern des indonesischen Staatspräsidenten in Port Moresby statt.

Die provisorische Papua-Regierung wurde vor kurzem international dadurch weiter aufgewertet, daß Präsident Leopold Sedar Senghor von Senegal im August 1975 der Befreiungsbewegung des „negroiden Brudervolkes“ von Westpapua die Eröffnung einer offiziellen Vertretung in Dakar (mit von der senegalesischen Regierung gestellter Villa und Dienstwagen) erlaubte.

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