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Sie tun SO als ob …

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Es gilt, den Schein zu wahren: Die Gipfelgespräche der Parteien sind Attrappen, die die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erkennen lassen sollen.

In Zeiten wie diesen tut man, als ob. Keine Partei, nicht einmal die Regierungspartei, kann es sich leisten, gegen Zusammenarbeit auch auf Bundesebene zu sein. Der auch empirisch belegbare Wunsch der Österreicher, daß sich die großen politischen Kräfte in Krisenzeiten zusammensetzen und zusammenreden sollen, eine

stille Sehnsucht nach Großer Koalition, erfordert eine verbindliche Fassade: Zusammenarbeit in aller Munde. So ernst vorgetragen, wie es dem Ernst der Lage entspricht.

Trotzdem sind die Chancen, daß es zu einer Zusammenarbeit zwischen SPO und ÖVP kommt, geringer denn je in den bisher fünfzehn Jahren der Alleinregierungen seit 1966. Dafür gibt es handfeste Gründe.

Nicht so sehr an sachlicher Ubereinstin^mung würde es mangeln, sie wäre sogar in wesentlichen Fragen der Wirtschaftspolitik bei etwas gutem Willen vorhanden, sondern eine ganz entscheidende Voraussetzung für ein Miteinander fehlt: die Bereitschaft, die gegensätzliche Meinung so ernst zu nehmen, daß man grundsätzlich auch bereit ist, sich umstimmen zu lassen; die Bereitschaft wenigstens, den Standpunkt des politischen Gegenübers zu akzeptieren und davon ausgehend einen gemeinsamen Nenner zu suchen.

Das ebenso undifferenzierte wie apodiktische Gebaren freilich, mit dem heute die eigene politische Vorstellung (an-)geprie-sen und die andere verworfen wird, erstickt Ansätze einer Zusammenarbeit bereits im Keim.

Durch diese Einstellung etwa war es selbstverständlich, daß die SPÖ alle auch noch so konkreten Vorschläge der OVP zur Wirtschaftspolitik im Rahmen der Sondersitzung des Nationalrates ablehnen würde. Logisch daher auch, daß damit schon von vornherein feststand, die eigene Regierung nur darin zu bestärken, so wie bisher weiterzutun.

Indem die SPÖ ihre Politik in den Bereich der schieren Unfehlbarkeit entrückt, bringt sie sich selbst darum, Erfahrungen aus Fehlern zur Korrektur der eigenen Position zu nützen.

Kritik wird nicht mehr als Aufzeigen von Fehlern und anderen Möglichkeiten verstanden, sondern als Miesmacherei abgetan.

Das geht so weit, daß jede Kritik an der SPÖ (und erst recht jede an ihrem Vorsitzenden) als eine Beleidigung Österreichs angesehen wird.

Das permanente Wahlkampfklima sorgt dafür, daß mit grobschlächtigen Argumenten der politische Gegner zum Feind denunziert wird.

Die SPÖ drängte und drängt die ÖVP in die Rolle des Unsicher-heitsfaktors, des reaktionären Finsterlings, der alles Böse will: Arbeitslosigkeit, sozialen Rückschritt …

Und mit dieser Partei soll man zusammenarbeiten?

Eben. Kein kleiner SPÖ-Funk-tionär könnte es verstehen, daß sich seine Partei mit einem so von der Führung zurechtargumen-tierten Partner zusammentut. Das Klima ist vergiftet.

Dazu kommt, daß man in SPÖ-Kreisen, wie das ein führender Sozialdemokrat in einem Vier-Augen-Gespräch durchblicken ließ, ein Zeichen der Schwäche sehen konnte: Die Alleinregierung kann doch nicht allein die Probleme lösen!

Die daraus resultierende Angst, damit auch ein gewichtiges Argument für das neuerliche WahlzieJ einer absoluten Mehrheit zu verlieren, hindert die SPÖ daran, ernsthaft die Weichen für eine Zusammenarbeit zu stellen.

Ähnliche Ängste plagen freilich auch die Volkspartei: Findet sie sich zur Zusammenarbeit mit der SPÖ auch ohne Regierungsbeteiligung bereit, würde sie die bedrängte Regierung stützen und damit letztendlich dem Wähler die Motivation nehmen, sich beim nächsten Wahlgang gegen die SPÖ zu entscheiden — wenn es so auch geht.

Schließlich gibt es noch einen wesentlichen Grund, warum es mit der Zusammenarbeit der beiden großen Parteien auf Bundesebene derzeit nicht funktionieren will: die hochgeschätzte Sozialpartnerschaft, die noch schlecht und recht klappt.

So lange die SPÖ-Mehrheit dieses Sicherheitsnetz, das Geheimnis des österreichischen Weges seit drei Jahrzehnten, jinter sich weiß, braucht sie sich nicht wirklich um ein Miteinander mit der Opposition bemühen.

Was durchaus der Einschätzung der Österreicher entspricht: Zwei Drittel halten nämlich, laut IFES-Umfrage, die Zusammenarbeit der Sozialpartner für wichtiger als das Parlament.

Trotzdem: Man wird weiter den Schein wahren, so tun als ob. Nur zusammenarbeiten- wird man nicht. \

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