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Im Grazer Schauspielhaus häufen sich neuere und neueste Stücke, die man früher aus moralischen und pädagogischen Erwägungen heraus wohl kaum HI Bühnenehren hätte gelangen lassen —, früher, als Schamgefühl nämlich noch nicht als „sexuelle Verklemmung” verlacht wurde. Nach Wolfgang Bauer, der Grazer Muse liebstem Kind, und seinem weit schwächeren Ableger Harald Sommer, kam nun, relativ spät, so etwas wie der Prototyp der neuen Stücke um eine bestimmte Schicht der heutigen Jugend nach Graz: Edward Bonds „Gerettet”, dem bei aller Kraßheit der künstlerische Wurf einer Stilisierung zum „synthetischen Realismus” hin nicht abzusprechen ist.

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Im Grazer Schauspielhaus häufen sich neuere und neueste Stücke, die man früher aus moralischen und pädagogischen Erwägungen heraus wohl kaum HI Bühnenehren hätte gelangen lassen —, früher, als Schamgefühl nämlich noch nicht als „sexuelle Verklemmung” verlacht wurde. Nach Wolfgang Bauer, der Grazer Muse liebstem Kind, und seinem weit schwächeren Ableger Harald Sommer, kam nun, relativ spät, so etwas wie der Prototyp der neuen Stücke um eine bestimmte Schicht der heutigen Jugend nach Graz: Edward Bonds „Gerettet”, dem bei aller Kraßheit der künstlerische Wurf einer Stilisierung zum „synthetischen Realismus” hin nicht abzusprechen ist.

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Diesem grausamen Stück Theater widerfuhr to Graz durdi Bernd Fischerauer eine Unterbewertung infolge oberflächlicher, mißverstandener Betrachtungsweise des Stückes. Das beginnt schon mit der österreichischen Dialektfassung durch Kscherauer, die mit aufdringlicher Lust am überdeutlich Obszönen die Grundlage für die „Regle” des Beaibedters abgibt. Brutalität und Schock gehören bei Bond organisch zum Ganzen. Fischerauer aber setzt sie auf, führt sie gewissermaßen von außen heran, weil er der Sache nicht gewachsen ist und mit dem SchocikefEekt Erfolg haben möchte. Dia Aufführung Ist fälschlich ins Milieuhafte, in die soziologische Anteilnahme hin verlagert. Die ganze Ungekonntheit der Regie zeigt sddi in der unbeholfen wdedergegebenen Steigerung zum Kindesmord im sechsten BUd. Die Klimax ergibt sich hier nicht aus dem Rückstau der Szene, vielmehr wird lange, lun-ständllch, ja geradezu unschlüssig Peinigung an Peinigung gefügt.

noch ein Sadismus und noch einer, schön brav hintereinander, wie’s das Buch vorschreibt. Wie beim „Ob-gaung” Sommers, den er ja auch danebeninszenierte, zeigt sich Bernd Fiischerauer auch hier als ein rechter Anfänger, der’s noch immer nicht gelernt hat, Szenen mit mehr als drei Personen zu bewältigen. Nach den bisherigen Arbeiten Fischerauers in Graz fragt man sidi, ob denn außer der Lust am Schockieren hierzulande keine sonstigen Qualifikationen von einem Regisseur verlangt werden.

Ein ganz anderes künstlerisches Niveau hatte trotz manch deutlicher UnerqudckMchkeit Eugen Drmolas Inszenierung von Harold Pinters „Heimkehr” (Homecoming). Ganz abgesehen davon, daß hier der merkwürdige Schwebezustand zwischen Wirklichkeit und Unwirklich-keit, zwischen Bewußtem und Unbewußtem, zwischen Tatsächlichem und Geträumtem in beklemmend verwirrender Weise so eingefangen war.

daß der Vorgang kaum durchschaubar, aber doch erahnbar wurde, gelang (besonders im dritten Bild) die Verteilung der akustischen Gewichte in bemerkenswerter Sordiniertheit. Das seltsam reizvolle, am Ödipuskomplex sich auffädelnde Stück fand auf der Probebühne des Grazer Schau^spielhauses dank hervorragender Darstellerleistung (Lehmann, Müller, David, Grill, Püngel) eine eindringliche Wiedergabe in österreichischer Erstaufführung. Leichte Kost gab es ab Silvester: „40 Karat” ist ein Boulevardlustspdel von Barillet und Grėdy, aber das Besondere daran ist der Mut, mit dem die Autoren aus dem Schema zugvmsten einer kleinen, fast wehmütigen und gar nicht Happy-End-haften Utopie ausscheren. Das Be-scmdere der Grazer Aufführung, die dezent und duftig von Elmor Schulte geleitet wurde, lag an der Hauptdarstellerin: Ulla Jacobson versteht es unvergleichlich, Charme mit Routine und Intelligenz zu vsrbdnden.

In der Oper tut sich nicht viel Bemerkenswertes. Außer einem braven „Barbier von Sevilla” verdient einzig die Neustudierung von „Cosi fan tutte” Beachtijng. Sie wird von dem diesmal sehr mobilen Gustav Czerny dirigiert und gibt dem derzeitigen Juwel der Grazer Oper, der Sopranistin Margarita Kyriaki, Gelegenheit, sich mit ihrem wundervollen Janowitz-Timbre noch mehr in die Herzen ihres Publikums zu singen.

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