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Gotteserkenntnis aus der Natur

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Am 28. Februar dieses Jahres diskutierten über Einladung des österreichischen College vor einer überaus zahlreichen Teilnehmerschaft die Professoren Doktor P. Alfons Well O. P., DDr. Leo Gabriel, Dr. Rainer Schubert-Solde r n und Dr. Josef H o p m a n n über die Novemberrede des Papstes vor dem Kongreß der päpstlichen Akademie, „Die Gottesbeweise im Licht der modernen wegung mit dem Begriff der Veränderlichkeit der Natur gleichsetzt, sowie den Begriff der Ordnung mit dem der planmäßigen Zielstrebigkeit. Gabriel hob in seinem Referat ferner die Wichtigkeit des Strukturgedankens der Welt, auf den die Papstrede sich bezieht, hervor. Ihrer innersten Struktur schon wohnt die Veränderlichkeit inne: „Die Physik hat die Tatsache der Veränder-

Naturwissenschaft“. Diese Rede (vgl. „Wissenschaft und Weltbild“, 1952, Heft 1) wurde vom Diskussionsleiter Leo Gabriel mit Recht als „einzigartiges Ereignis in der Geschichte des Papsttums" gewürdigt. Der Papst nimmt selbst mit einer eindrucksvollen Sachkenntnis positiv zu Fragen der modernen Naturwissenschaften Stellung ünd betont die Nützlichkeit, „auf der Basis der neuen wissenschaftlichen Entdeckungen die klassischen Beweise des hl. Thomas zu überprüfen, besonders die Beweise, die aus der Bewegung und der Ordnung des Universums genommen sind" (a. a. O. S. 1).

Pius XII. greift besonders den „ersten und fünften Weg" des hl. Thomas heraus, wobei der Papst nach den einführenden Worten Gabriels den Begriff der Be-

Lichkeit in den tiefsten Schichten der Natur aufgedeckt' (a. a. O. S. 2 und S. 6).

Die Erkenntnis der „Gerichtetheit" der Prozesse in der Natur stützen das Argument der Ordnung. Die Richtung geht auf das Ende, wie uns Entropie und Radioaktivität beweisen. Das Universum entwickelt sich. Die Welt altert und ihr Anfang in der Zeit kann auf verschiedene Weise erhärtet werden. Die frühere Auffassung von der ewigen, unerschaffenen Materie muß aufgegeben werden. Gabriel unterstrich besonders die nun wieder möglich gewordene Zusammenarbeit von Theologie, Philosophie und Naturwissenschaft ąuf Grund der zutage tretenden Konvergenzen in den Einzeldisziplinen.

Auch der Theologe Professor Well hob nach einem Überblick über die Entwicklung des Verhältnisses von Wissenschaft und geoffenbarter Religion die Möglichkeit eines harmonisierenden Denkens von Wissenschaft und Glauben auf dem ihnen gemeinsamen Gebiet der „Praeambula fidei" hervor, die der Gefahr der doppelten Wahrheit (noch immer der Standpunkt des Positivismus) begegnet. Er bezeichnete diese Möglichkeit als das Verheißungsvollste in unserer Zeit. — Professor Schubert-Soldern nahm zu der gesamten Problematik zunächst von der reinen Erfahrung her Stellung und baute eine kurzgefaßte Erkenntnistheorie der Naturwissenschaftén auf. Der Referent bekannte sich zu der modernen Synthese von grundgelegter Ordnung und Ziel in der Natur. Der Astronom Professor H o p m a n n entfaltete aus seiner Disziplin der Astro- und Kernphysik alle Argumente für die Endlichkeit des Universums, das wahrscheinlich vor vier Milliarden Jahren begonnen hat.

In der folgenden Diskussion versuchte die positivistische Gegenseite (Dr. Feyer- abend) die Argumente der Referenten von der erkenntnistheoretischen Seite her aus den Angeln zu heben, indem sie die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Disziplinen als fragwürdig und hypothetisch hinstellte und vor allem die metaphysischen Folgerungen als sachfremd ablehnte. Professor Hopmann verwies nochmals auf die empirischen Beweise, die für die Endlichkeit des Universums vorliegen. Professor Schubert- Soldern betonte, daß die Metaphysik keine Ideal-, sondern eine Realwissenschaft sei, die von der Erfahrung gestützt werde. Professor Gabriel erwies die Notwendigkeit eines sogenannten „M eta-Systems" (Metaphysik, Metabiologie usw.), das es uns überhaupt erst ermöglicht, die Welt in ihrer Gesamtheit zu erfassen, wozu keine Einzelwissenschaft imstande ist. (Die Sprache dieses Systems müsse allerdings gelernt werden, um verstanden zu werden!) Abschließend darf als Ergebnis dieser bedeutsamen, leider viel zu kurz bemessenen Diskussion gesagt werden, daß wir trotz aller Einwendungen gewichtige Gründe haben, vom Standpunkt der heutigen Naturwissenschaft aus eine Anerkennung jener Aussagen, die Religion und Metaphysik von Gott machen, festzustellen.

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