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Werk und Wirkung Othmar Spanns

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Aus dem Werke Othmar Spanns hat vor allem die Ganzheitslehre in modifizierter Form den Weg in die breite Front der Einzelwissenschaften gefunden.

Schon aus diesem Grunde ist es zu begrüßen, daß die Spann-Schüler Hans Riehl, der Grazer Kunstsoziologe, und Walter Heinrich, der Wiener Nationalökonom, ihrem siebzigjährigen Lehrer noch zwei Bücher auf den Geburtstagstisch legten, die Werk und Wirkung Othmar Spanns in Erinnerung rufen und erneut zur Diskussion stellen.

Hans Riehl hat eine sehr sorgsame und konzise Auswahl aus dem Gesamtwerk seines Lehrers, der einst als Volkswirtschaftler in Brünn begonnen hatte und sein Leben in Einsamkeit auf seinem burgenländischen Besitz als Religionsphilosoph beschloß, getroffen. Zweiteilig gegliedert, bringt das Riehlsche Buch die Grundgedanken der .Kategorienlehre, der „Metaphysik“ und „Geisteslehre“ sowie der Spannschen „Naturphilosophie“; daran schließen sich die Sondergebiete der Religionsphilosophie, Philosophiegeschichte, der ganzheitlichen Logik und Kunstphilosophie, Gesellschaftslehre, Erziehungslehre und Geschichtsphilosophie.

Im „Philosophenspiegel“ spricht Spann vom „philosophischen Grunderlebnis“, das den verschiedenen Denkrichtungen und Systemen (Idealismus und Empirismus) zugrunde liegt. Dieses „Erlebnis“ ist für ihn ein „Innewerden, unmittelbares Verstehen, genauer gesagt: Eingebung, welche ja jeder verarbeitenden Begriffsbildung zugrunde liegen muß“ (S. 236). Und da für ihn „zuletzt immer die Eingebungsgrundlage über Art und Inhalt einer Philosophie entscheidet“, so gilt es, nach seiner eigenen „Eingebungsgrundlage“ zu suchen, um seine Philosophie zu verstehen. Man wird sie in dem Satz des Aristoteles finden, daß „das Ganze vor den Teilen sei. Sie bildet die Grundlage seiner gesamten Cytologie und Metaphysik, ja die Ganzheit wird hier Spann zum schöpferischen Seinsgrund der Glieder, die wiederum zu ihrem Zentrum und Urgrund zurückverbunden sind, sie wird ihm zum Grund einer bestimmten Vorrangs- und Werteordnung. Es erweist sich überhaupt bei näherem Zusehen, daß der Spannsche Ganzheitsbegriff im Grunde ein Wertbegriff ist, behauptet er doch in seiner Sittenlehre, daß es „nichts Wertfreies in der Welt“ gäbe und daß auch der Begriff, „soferne er das reine Wesen erfaßt, auch das Vollkommene des Dinges erkennt“. Schon aus diesem Grunde wird die polare Gegenstellung Spanns nicht nur zum Empirismus und Materialismus, sondern auch zur wertfreien Wissenschaft im Sinne Max Webers verständlich. Es ist allerdings sehr die Frage, ob wir im Begriff tatsächlich das reine Wesen, existentiell gewendet, damit auch das reine Sein erfassen können. Das Ganze- wird für Spann zuletzt ein mystischer Begriff gleich dem „Fünklein“ des Meister Eckart. „Die Ganzheit ist schon das Mystische“, heißt es im „Philosophen-Spiegel“!

Gedankengänge Piatons und Plotins, Meteter Eckarts, des deutschen Idealismus (besonders Fichtes in der Ethik und Gesellschaftslehre, die allerdings auch von dem von Spann wieder entdeckten Adam Müller und Franz von Baader beeinflußt scheint, sowie des späten Schelling, dessen polares Denken auch an Spanns Naturphilosophie erscheint, und auch Hegel) verbinden sich bei diesem Denker zu einer unversalistischen Philosonhie, die im metaphysischen „Uber Dir“ wurzelt und mutig gegen den verflachenden Empirismus und atheistischen Materialismus Sturm läuft. Bei allen Reserven, die gegen die Positionen Spanns da und dort angebracht sind, wird man in Zukunft ü#er seine „Ganzheit“ klärend diskutieren müssen, von der es noch immer nicht ganz feststeht, ob sie mit dem Gestaltbegriff, wie ihn Christian Ehrenfels für die Psychologie und in vertiefter Form nun auch Leo Gabriel für die Logik anwenden, in Verbindung zu bringen ist oder ob dieses der aristotelischen „Morphe“ nahestehende Prinzip mehr der „unitas Simplex“ im Sinne Neergards entspricht.

Daß das ganzheitliche Denken in Philosophie und Wissenschaft durch Othmar Spann zu immer breiterer Wirkung gelangte, davon überzeugen die 21 Aufsätze bedeutender Gelehrter, die Walter Heinrich in der Festschrift für seinen Lehrer gesammelt hat. Der Herausgeber stellt ihr selbst einen eindrucksvollen und tiefschürfenden Aufsatz „Die Verfahrenlehre als Wegweiser für die Wissenschaft und für die Kultur voran, und die allgemeine Verfahrenlehre bildet auch die theoretische Grundlage des gesamten Buches. Dieser theoretisch methodologische Teil wird von Max W u n d t (Tübingen) bestritten und ist nicht nur ein lapidares Bekenntnis zur Spannschen Ganzheitslehre, sondern auch zum Deutschen Idealismus. (Die Rettungsversuche für Hegel und die Romantik sind kennzeichnend für diese Beiträge!)

In den drei folgenden Teilen wird die Ganzheitslehre auf die Gesellschafts-, Geistes- und Naturwissenschaften angewendet. Der Raum verbietet uns, auf diese einer fruchtbaren Diskussion würdigen Aufsätze näher einzugehen, doch seien wenigstens die einzelnen Autoren genannt: Jakob Baxa (Wien), Walter Adolf Jöhr (St. Gallen), Joseph Lob (Wien), Karl Oberparieiter (Wien), Rudolf Stanka (Wien), Theo Suranyi-Unger (Syracuse, USA), Ferdinand Westphalen (Wien) behandeln den rechts- und gesellschaftswissenschaftlichen Teil; Gerhart Egger (Wien), Otto H öf 1 e r (München), Hertha Machold (Wien), Hans Riehl (Graz), Wilhelm Troll (Mainz) und Albert W e 11 e k (Mainz) bekennen sich zu einer modifizierten Ganzheitslehre in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen, während die Gelehrten Hans Andre (Walberberg bei Köln), Oskar Kaufmann (Linz), Armin Müller (Berlin), Erich R u-droff (Salzburg), K. Lothar Wolf und H. C. W o 1 f (beide Kirchheimbolanden, Rheinpfalz) für die ganzheitliche Methode in den Naturwissenschaften eintreten.

Ihnen allen ist für die saubere Problementfaltung und die Fülle neuen Gedankengutes zu danken.

Othmar Spann, der in den letzten Jahren arm an Freuden war, konnte wenigstens diese Freude erleben, daß seine Lehre in seinen Schülern Früchte trug. Die Auseinandersetzung mit seinem Werk und den Gedanken seiner Schüler mag die strittigen Positionen fruchtbringend klären. Das war ja der Sinn von Spanns „Kämpfender Wissenschaft“!

Dr. Viktor Sucby

Christliche Erziehungswissenschaft. Von

Benedikt G ö 1 z OFM. Verlagsanstalt Athesia, Bozen. 199 Seiten.

Wer sich orientieren will, welchen Standpunkt Christentum und Kirche zu den Fragen der Erziehung einnehmen, der greife zu diesem Büchlein. Es äst für Lehrer und Studierende geschrieben, leicht lesbar, klar und übersichtlich gegliedert und kommt dem Bedürfnis des Menschen von heute entgegen, eindeutige und zielsichere Antworten auf die vielfachen Fragen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen unserer Gegenwart zu erhalten. Sehr wichtig vor allem das, was im dritten Teil über die erziehenden Gemeinschaften, Familie, Staat und Kirche, gesagt wird. Im vierten Teil wird ein kurzer Uberblick über die Geschichte der christlichen Erziehungswissenschaft geboten mit einer treffenden Charakteristik führender katholischer Erzieherpersönlichkeiten. — Diese Arbeit ist in enger Anlehnung an die bekannte Erziehungsenzyklika Pius' XI. geschrieben und kann daher sehr gut als Kommentar zu diesem Rundschreiben verwendet werden.

Dr. Alfred B r o d i 1

Bodenständige Naturkunde. Unsere Bäume und Sträucher im Heimat- und Volksleben. Von Josef Buchinger. österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst Wien. 197 Seiten, 22 Abbildungen.

In der Reihe der Schriften zur Landschulerneuerung werden hier die einheimischen Bäume und Sträucher (ihre 86 wichtigsten Arten) als Glieder eines ganzheitlichen heimatlichen Lebensraumes dargestellt, das heißt über die botanischen Grundlagen hinaus nach allen Seiten der Verwendung, des Erauchtums, der Volksheilkunde, der von ihnen abgeleiteten Personen- und Landschaftsnamen usw. Anschließende Abschnitte über Lehrausgänge, über die Verwendung des Holzes, Rechenbeispiele aus der Forstwirtschaft leiten zum Einbau dieser Stoffbetrachtung in die verschiedensten Unterrichtsfächer an. Für den Lehrer ein wertvoller Lehrbehelf, in dem aber auch der Erwachsene gerne nachschlagen wird.

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