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Ende der Metaphysik

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Deshalb hat es Metaphysik auch wesentlich mit der logischen Erfahrung zu tun. Jede „sachgerechte" Kritik der Metaphysik ist also bereits selbst wieder Metaphysik! Das legt den Schluß nahe, daß es, solange endliche Vernunftwesen existieren, die nach einer im Grunde unabschließbaren Ganzheit alles Wißbaren streben, auch Metaphysik geben wird. Sehr ausführlich behandelte der Vortragende die Entwicklung der abendländischen Metaphysik, wobei freilich die zu Beginn so hervorstechende Tiefgründigkeit und gleichzeitige Klarheit der Ausführungen nicht mehr ganz beibehalten wurde.

Fast konnte bisweilen der Eindruck entstehen, daß die heutige Philosophie sozusagen mit sich selber Schach spielt und Probleme aufwirft, die von den meisten Menschen gar nicht verstanden werden, weil sie wiederum für die meisten Menschen nicht existieren, sondern ihnen eher krampfhaft konstruiert erscheinen. Dies wurde mit größter Offenheit von Prof. Dr. S c h u- bert-Soldern (Wien) ausgesprochen, der die „Naturwissenschaftliche Erkenntnis als Weg zur Wahrheit“ behandelte. Zweifellos konnten weder Prof. Krings und noch weniger Professor Lauth die Thematik ihrer Vorträge — schon aus zeitlichen Gründen — ganz ausschöpfen. Prof. Schubert-Soldern ließ sich auf einen solchen Versuch erst gar nicht ein; in lebhafter Diktion erhellte er vielmehr die Problematik an Einzelbeispielen der Natur philosophie, wobei sowohl wegen der Bedeutung als auch wegen des allgemeinen Interesses die Probleme des Lebens und der Menschwerdung geradezu zwangsläufig in den Vordergrund rückten.

Da die Wahrheitsfrage aber nicht nur in der spekulativen Philosophie, sondern auch (und gegenwärtig vielleicht besonders) im sozialen Bereich von großer Bedeutung ist, lag es nahe, dal’ Leitthema auch nach dieser Richtung auszuweiten. So behandelte Professor DDr. Alfons Adams (Paderborn) die „Bindung des Rechts an die Wahrheit“ und Msgr. Dr. Karl Förster (München) die Frage „Wahrheit und Massenmedien“. Der Versuch, allzu viele Aspekte unter dem Gesamtthema zu behandeln, ist allerdings nur teilweise geglückt. Insbesondere für den Fragenkreis „Recht und Wahrheit" fehlten ganz einfach Koreferenten und Ergänzungen aus dem praktischen Leben. Kann es sich die reine Philosophie leisten, Theorie ohne Korrektiv der Praxis zu bleiben und mehr oder minder weitabgewandt zu spekulieren, so ist dies jedenfalls für Rechtsphilosophie, Naturphilosophie und ähnliche Richtungen nicht möglich. Eine weitere „Überfütterung“ stellten schließlich die Arbeitsgemeinschaften dar, die wohl — um nur Beispiele zu erwähnen — unter Prof. Dr. Müller (München) über „Heideggers Nietzsche-Bild“ und Prof. Dr. Stefan Teodorescu (Stuttgart) über den „Mythos als Hindernis zur Wahrheitsfindung“ sowie schließlich Prof. DDr. S c h 1 e 11 e (Bonn) zum Thema „Historismus — Geschichtlichkeit — Wahrheit“ fruchtbare Erkenntnisse vermittelten; doch hätte ein echtes Bedürfnis bestanden, mit den Hauptvortragenden in Diskussion zu treten, statt in den Arbeitsgemeinschaften die Thematik noch mehr auszuweiten; nicht in die Breite, in die „Zerstreuung“, sondern in die Tiefe weist doch die akademische Dimension!

Die theologische Wahrheit

Der Forderung nach Konzentriert- heit schien die zweite, der Wahrheit in der theologischen Aussage unserer Zeit gewidmete Woche besser zu entsprechen, womit freilich keinesfalls gesagt sein soll, daß hierbei auch die Problematik leichter lösbar erschien. Will man überhaupt ein Ergebnis vorwegnehmen, so kann man nur feststellen, daß die Gewissenserforschung über die Wahrheitsaussage der Philosophie und Theologie unserer Zeit mehr Probleme als Lösungen, mehr Fragen als Antworten zeitigt. Das beginnt schon mit der von allen Theologen — also sowohl den katholischen als auch vom evangelischen Altbischof DDr. S t ä h 1 i n (Rimsting), dessen Ausführungen übrigens zu den nachhaltigsten Erlebnissen der Hochschulwochen zählten — einheitlich angenommenen Grundposition: Der Wahrheits- und Geltungsanspruch theologischer Aussagen darf nicht vom philosophischen Wahrheitsbegriff ab- hängen. In der Vorlesung über „Die Hl. Schrift als präsente Offenbarung der Wahrheit“ wurde dies von Professor Dr. Schnackenburg (Würzburg) nach den verschiedensten Richtungen begründet: Die Offenbarung ist Gottes Wahrheit im menschlichen Gewand; sie ist daher an die menschliche Sprache ebenso wie an die menschliche Geschichte gebunden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, im Laufe der Zeiten unter stets neuen Fragen und geistigen Voraussetzungen (jeweiliges Weltbild, Seins- und Menschenverständnis) die Offenbarung immer wieder neu und tiefer dringend zu erschließen. Gleich Prof. Schnackenburg befaßte sich Prof. Dr. Fries (München) eingehend mit der Frage der „Entmy- thologisierung“. Beide Vortragende

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